Der Konflikt im Nahen Osten spitzt sich zu: Die israelische Armee hat in der Nacht zu Dienstag dutzende Ziele der Terrororganisation Hisbollah im Südlibanon angegriffen. Dabei wurden nach Angaben der Armee „terroristische Ziele“ in Hisbollah-Hochburgen getroffen.
Unterdessen flohen bereits am Montag und in der Nacht zu Dienstag tausende Menschen aus dem Südlibanon vor den Angriffen der israelischen Armee und wurden damit zu Flüchtlingen im eigenen Land. Laut Augenzeugen herrschte „Panik und Chaos“, der Verkehr kam zeitweise zum Erliegen.
Fotos aus den südlichen Dörfern in Sidon (Libanon) zeigen endlose Staus auf der Autobahn in Richtung Beirut oder andere Orte im Norden des Landes. Familien mit Kindern quetschten sich samt Gepäck auf Pickup-Ladeflächen. Wer nicht mehr ins Auto passte, setzte sich aufs Dach.
Auch in Israel mussten sich Menschen in Sicherheit bringen: Wie die Armee auf X mitteilte, waren Zivilisten in Haifa gezwungen, in Luftschutzbunker zu fliehen, weil die „Hisbollah wahllos Raketen abfeuerte“. In Haifa ist die Situation besonders angespannt, es findet kein Schulunterricht statt, die Strände sind geschlossen. Bei Sirenen-Alarm haben die Menschen eineinhalb Minuten Zeit, in Schutzräume zu flüchten.
Unkontrollierbare Eskalation befürchtet
Der Konflikt zwischen den verfeindeten Ländern, der sich seit dem Pager-Angriff auf die Hisbollah-Terroristen im Libanon vergangene Woche, einer Eskalation nähert, bereitet internationalen Beobachtern große Sorge. Die USA und die Bundesregierung riefen zur Deeskalation auf, die französische Regierung beantragte eine Sondersitzung des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen.
Am Dienstag beginnt die mehrtägige Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York (USA), der Nahost-Konflikt wird eine wichtige Rolle spielen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (74, Likud-Partei) wird im Laufe der Woche anreisen. Er wandte sich bereits mit einer Botschaft an das libanesische Volk: „Israels Krieg ist nicht mit euch, sondern mit der Hisbollah. Die Hisbollah hat euch schon allzu lange als menschliche Schutzschilde missbraucht.“
Um Israel gegen Hisbollah-Angriffe zu verteidigen, müssten die Waffen der Miliz unschädlich gemacht werden, sagte Netanjahu.
Der Libanon ist seit Jahren von politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Instabilität geprägt. Bei 4,4 Millionen Einwohnern hat das kleine Land bereits vor Jahrzehnten 256 000 palästinensische Flüchtlinge aufgenommen, die teilweise bis heute in Lagern leben.
Während des Syrienkrieges kamen noch einmal 1,5 Millionen Flüchtlinge dazu. Eine nicht zu bewältigende Aufnahme für das Land. Durch eine Explosion im Hafen von Beirut 2020 und die Corona-Pandemie brach das ohnehin schwer angeschlagene Gesundheitssystem zusammen. Die Massenflucht der Libanesen könnte das Land weiter destabilisieren.