In die Debatte über die künftige Verwendung von eingefrorenem russischen Staatsvermögen in der EU
kommt Bewegung: Bei einem Teffen in Brüssel hat Bundeskanzler Friedrich Merz
(CDU) dem belgischen Ministerpräsidenten Bart De Wever eine gleichmäßige
Risikoverteilung versprochen. Die besondere Betroffenheit Belgiens in der
Frage, was mit den russischen Milliarden geschehen soll, sei
„unbestreitbar“ und müsse „in jeder denkbaren Lösung so
adressiert werden, dass alle europäischen Staaten dasselbe Risiko tragen“,
hieß es am Freitagabend in einer Erklärung des Bundeskanzlers.
Merz hatte für
das Abendessen in „privatem Rahmen“ extra eine geplante Reise nach Norwegen
abgesagt. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nahm an dem
Gespräch teil. Seit Wochen versuchen die beiden, De Wever davon zu überzeugen,
seinen Widerstand gegen einen Plan aufzugeben, eingefrorenes Vermögen der
russischen Zentralbank der Ukraine zu überlassen – in Form eines Darlehens. Doch
der Belgier verweigert die Zustimmung aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen
und russischer Vergeltung. Grund: Mit etwa 185 Milliarden Euro liegt ein
Großteil des Geldes in Brüssel, verwaltet vom Finanzinstitut Euroclear.
Russischer Botschafter droht mit „weitreichenden Konsequenzen“
Die drei
Gesprächspartner seien sich einig gewesen, dass in der aktuellen geopolitischen
Lage die Zeit dränge, teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius nach dem
Treffen mit. Sie hätten festgestellt, dass die finanzielle Unterstützung der
Ukraine von zentraler Bedeutung für die Sicherheit Europas sei. De Wever fürchtet
jedoch um die Existenz von Euroclear und sieht auch die Gefahr, dass Russland gegen
europäische Privatpersonen und andere Unternehmen vorgehen könnte – etwa über
Enteignungen in Russland.
Der russische
Botschafter in Berlin heizte diese Angst am Freitag zusätzlich an. Er drohte
mit „weitreichenden Konsequenzen“, sollte die EU eingefrorenes
russisches Vermögen für die Ukraine nutzen. „Jede Operation mit
öffentlichen russischen Vermögenswerten ohne Zustimmung Russlands wäre
Diebstahl“, schrieb der russische Botschafter Sergej Netschajew in einer
Erklärung an die Nachrichtenagentur AFP.
Eine Nutzung der
russischen Gelder würde nach Ansicht des Botschafters letztlich zu
„rechtlicher Anarchie“ und der „Zerstörung der Grundlagen des
globalen Finanzsystems“ führen, was vor allem die Europäische Union
treffen werde. „Wir sind zuversichtlich, dass dies in Brüssel und Berlin
verstanden wird“, fügte Netschajew hinzu.
Merz und De Wever wollen bis 18. Dezember eine Lösung finden
Der belgische Premierminister
hatte mehrere Bedingungen genannt, unter denen er möglicherweise den Plan
unterstützen würde. Unter anderem müsse eine Vergemeinschaftung aller möglichen
Risiken garantiert sein. Zudem müsste es ausreichend finanzielle Garantien
geben, um möglichen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
Merz, De Wever und
von der Leyen vereinbarten dem Sprecher zufolge, ihren Austausch fortzusetzen.
Ziel sei es, bis zum nächsten Gipfel des Europäischen Rats am 18. Dezember eine
einvernehmliche Lösung zu finden.
Merz hatte vor
seiner Reise nach Belgien gesagt, er wolle De Wever davon überzeugen,
„dass der Weg, den wir hier vorschlagen, richtig ist“. Öffentliche
Äußerungen vor oder nach dem Treffen waren nicht vorgesehen.
Die EU hat sich
bis zum Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 18. Dezember Zeit gegeben,
eine Einigung über die Finanzierung der Ukraine-Hilfe für die nächsten zwei
Jahre zu erzielen. Die Kommission stellte am Mittwoch einen Plan für die
Nutzung der russischen Vermögen vor.
Mit den darin
vorgeschlagenen Maßnahmen soll laut der Kommission sichergestellt werden, dass
es „kein Szenario gibt“, in dem die betreffenden Finanzinstitutionen
wie Euroclear das geliehene Geld nicht zurückerhalten, und „dass sie in
der Lage sind, alle vertraglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den
Vermögenswerten und Reserven der Zentralbank Russlands zu erfüllen“.
