Natürlich ist er in Palm Springs gestorben, der kleinen Stadt in der kalifornischen Wüste, knapp zwei Autostunden von Los Angeles entfernt, wo einst auch Cary Grant, Liberace und Frank Sinatra lebten. Udo Kier, der Kölsche Jung in Hollywood, lebte seit den Neunzigerjahren dort. 81 Jahre alt ist er geworden, . Und was für eine internationale Karriere.
Von Andy Warhol und dessen Hausregisseur Paul Morrissey in den Siebzigerjahren entdeckt, hat er wieder und wieder mit Rainer Werner Fassbinder (dem er bereits in den Sechzigern begegnet war) und mit Lars von Trier gedreht, mit Gus Van Sant, mit Werner Herzog, mit Tom Tykwer und mit Christoph Schlingensief. So viele große Kinofilme, man kann sie gar nicht alle aufzählen: , , , , , , . Und was wären Madonnas Videos zu und ohne ihn gewesen, ohne seine stahlblauen Augen?
Udo Kier war auf Nebenrollen spezialisiert, aus denen er die Hauptrollen seines Lebens machte. Es ging ihm darum, ob er in einer Rolle etwas hinterlassen könne, hat er gesagt: „einen Eindruck“. Diese Eindrücke hat er zu seiner eigenen Kunst entwickelt, und sie haben ihn im Lauf der Jahre zu einem Star gemacht. Am Sonntag hat sein Partner dem Hollywood-Branchenmagazin den Tod von Udo Kier bestätigt.
Ist doch schöner für die Geschichtsbücher
Ehrgeizig sei er nicht gewesen, hat er immer wieder betont, er habe Regisseure eben kennengelernt, auf Partys, auf Filmfestivals, daraus sei dann später manchmal etwas entstanden. Aktiv bemüht habe er sich nie um Rollen. „Stell dir vor“, hat er dem Magazin einmal erzählt, „du sagst zu David Lynch: ‚Ich möchte gerne mit Ihnen arbeiten.‘ Dann sagt der: ‚Ja, wer nicht?‘ Da würde ich unter den Tisch kriechen.“ Wichtig war Udo Kier immer, nicht peinlich zu sein. Vielleicht war das seine Art von Ehrgeiz. Er war viel unterwegs, war spontan, er hat das Leben auf sich zukommen lassen. Aber wenn sich eine Gelegenheit bot, war er dabei.
Im Flugzeug, so hat er das erzählt, saß er zufällig neben dem Regisseur Paul Morrissey, „und so fand ich mich in den Andy-Warhol-Filmen und wieder. Bei der Berlinale fragte mich ein junger Mann, ob ich in seinem nächsten Film mitspielen wolle. Ich dachte, da will wieder ein Einsamer reden. Stimmte nicht: Der Mann hieß Gus Van Sant und sein nächster Film mit Keanu Reeves und River Phoenix.“ Als er in den Siebzigerjahren in Rom mit Andy Warhol drehte, rief ihn der Künstler eines Abends an und sagte: „Hast du Lust, essen zu gehen mit Bianca Jagger und Mick Jagger?“ Und wieder war er dabei, hat er berichtet. „Als Andy im Restaurant ankam, stellte er sofort das Tonbandgerät in die Mitte des Tisches und ließ es mitlaufen. Das hat seine Sekretärin dann nachts abgetippt. Daraus entstanden “
Als Schauspieler hatte er nie Angst davor, Bösewichte zu spielen, er schreckte auch vor Hitler nicht zurück. Udo Kier wusste um seine Wirkung, seine Schönheit konnte er in brutale Kühle übersetzen – um sie in der nächsten Rolle gleich selbst zu parodieren. Diese Selbstdistanz hat sein Spiel bis zum Schluss ausgemacht. Und seine Nähe zur Kunst, zu Künstlern wie Sigmar Polke beispielsweise, hat ihm dabei geholfen, sich selbst, sein Gesicht und sein Image als Material zu begreifen, mit dem er immer neu spielen konnte. Er wurde selbst zum Sammler auch von Werken jener Künstler, mit denen er gearbeitet hat, von Warhol bis Polke.
Im Interview-Magazin hat Udo Kier einmal darüber gesprochen, wie er sich sein persönliches Happy End vorstellt. „Ich fühle mich schon in Kalifornien zu Hause, wo meine Sachen sind. Da sind meine Möbel, da sind meine Bilder, meine Kleidung, alles ist in Amerika. Ich will auch in Amerika sterben. Geboren in Köln, gestorben in Köln finde ich langweilig. Ich habe einen 109 Mercedes SL, Baujahr 1956, die schönste Form, und wenn dann in der Zeitung steht: ‚Er fuhr mit seinem havannabraunen Mercedes über die Klippen von Santa Monica‘, ist das doch viel schöner für die Geschichtsbücher.“
Jetzt ist er in Palm Springs gestorben, stilecht, . Auch schön für die Geschichtsbücher. Udo Kier ist im Krieg geboren, 1944, sein Vater war bereits verheiratet, nur leider nicht mit seiner Mutter. Die Kiers hatten nie Geld. Das war natürlich auch ein Antrieb für ihn, wie für so viele Kinder in Nachkriegsdeutschland. Er ging erst nach London, um die Sprache zu lernen, später zog er nach Los Angeles, um es in Hollywood zu schaffen. Seinen rheinländischen Humor hat sich Udo Kier aber auch in Kalifornien immer bewahrt. Er hatte eine Schildkröte, die er Hans Solo nannte, und einen Hund, den er Liza Minnelli rief.