Man stelle sich einmal vor, ein
humanoider Roboter würde Guillermo del Toros Filmepos in
seinem inneren Kino sehen, irgendwann Ende des Jahrhunderts, auf der halb
verbrannten Erde, auf Proxima Centauri b oder wo auch immer. Weiter angenommen,
bei der Menschmaschine handelte es sich um das Modell „Nostalgica“; im
Gegensatz zu seinen Kolleginnen und Kollegen kennt es noch so komische Wörter
wie „Demokratie“ oder „Freiheit“. Nur beim Mind-Uploading von „Mensch“ oder
„Natur“ halluziniert der Algorithmus wirres Zeug. Kurzum, wie gefiele dem
Roboter der -Film? Würde er sagen: „Wusste ich doch.
Maschinen waren schon immer die besseren Menschen“?
Als bei Netflix
ins Programm kam, brachen nicht alle Kritiker spontan in Jubel aus. Gibt es
nicht bereits ein Dutzend Verfilmungen der Monsterstory, angefangen von der
Urversion aus dem Jahre 1910 bis hin zu Ridley Scotts
(1982), der ebenfalls ein -Motiv erzählt? Richtig ist, dass
die Schriftstellerin Mary Wollstonecraft Shelley der Nachwelt einen
unsterblichen Schauerroman hinterlassen hat. Unsterblich ist er aber nicht
allein deswegen, weil so
fantastisch ist; unsterblich ist er, weil die Vorstellung von einer
Mensch-Maschine-Synthese immer realistischer wird. Was sich im Entstehungsjahr
1816 wie die literarische Spekulation einer hochbegabten 19-Jährigen ausnahm,
könnte, wenngleich in anderer Gestalt, in naher Zukunft wahr werden.
Es
wäre abwegig, Mary Shelleys Figuren mit den prometheischen Genies aus dem
Silicon Valley zu vergleichen. Und doch haben diese eines mit Victor Frankenstein gemeinsam: Techlords wie Elon Musk, Sam Altman oder Marc
Andreessen träumen davon, unser unvergesslich schwaches Gedächtnis in digitale
Maschinen auszulagern und Störungen im organischen Betriebsablauf zu
beseitigen. Elon Musks Firma
Neuralink etwa hat sich auf Gehirn-Maschine-Kopplungen
spezialisiert, auf winzige Chips, die es ermöglichen sollen, dass Menschen
allein kraft ihrer Gedanken Computer steuern. In bestimmte
Gehirnareale implantiert, registrieren sie dort die neuronalen Impulse und
verarbeiten sie tausendmal schneller als das biologische Gewebe. Nur
Science-Fiction-Science? Wohl nicht. Die ersten ALS-Patienten können mithilfe
der wieder mit ihrer Umwelt
kommunizieren.
Musks Intimfeind Sam Altman, der
Chef von OpenAI, unterstützt ein Start-up, das ebenfalls menschliche Gedanken mit digitalen
Maschinen verknüpfen will. Wie tief Merge Labs –
heißt Verschmelzung – in das
biologische Substrat des Menschen eingreifen will, verrät Altman nicht. Auf
jeden Fall sorge die neurotechnische Revolution dafür, dass „wir die erste
Spezies sein werden, die ihre eigenen Nachkommen entwirft“.
Deshalb
existierten künftig nur zwei Möglichkeiten. Entweder beschränke sich die
Zivilisation auf die passive Rolle eines biologischen „Startprogramms“ für die posthumane Zukunft, und zwar mit der trüben
Aussicht, anschließend zu einem
evolutionären Nebenast zu verkümmern. Oder aber, zweite Möglichkeit, sie fasst
sich mutig ein Herz und treibt die Verschmelzung von biologischer und
künstlicher Intelligenz voran. So oder so – wenn die Zivilisation sich
nicht vorher selbst zerstöre, könne die Co-Evolution von Menschheit und KI
„wahrscheinlich nicht aufgehalten werden“.
Auch Ray Kurzweil, der Spiritus Rector der
Techszene, kann diesem Szenario viel abgewinnen. Für den visionären Erfinder
sind Mensch-Maschine-Kopplungen eine wünschenswerte Art der Notwehr, denn sie
ermöglichten uns, „mit einer immer intelligenteren KI mitzuhalten und nicht von
ihr beherrscht zu werden“. Schon am Ende des Jahrzehnts werde man „in der Lage
sein, die rund 20 Milliarden Neuronen des Neokortex unseres Gehirns in direkte
Verbindung mit einem Computer zu bringen“. Damit werde das, „was heute das Handy
ist, ein Chip in uns drin sein. Wenn man nach einem Datum oder einem Namen
sucht, wird man nicht mehr sagen können, ob die Antwort aus dem eigenen Gehirn
oder dem KI-Assistenten auf dem Chip stammt“.
