Oasis. Sie sind wirklich wieder zusammen? Als Noel Gallagher im vergangenen Jahr in Berlin war und ins Podcaststudio von ZEIT und ZEIT ONLINE kam, war davon noch keine Rede. Er erzählte lieber, dass er bis heute in der Londoner U-Bahn mit seinem jüngeren Bruder verwechselt werde: „Yo, Liam!“ Dass er sich das immer noch anhören müsse! Er schüttelte empört den Kopf. Die ganze Welt wisse doch, dass er, Noel Gallagher, bereits 2009 im Streit die Band verlassen habe, mit der sein jüngerer Bruder Liam und er in den Neunzigerjahren weltberühmt geworden waren. Wobei „im Streit verlassen“ nach einem einmaligen Vorfall klingt: Die Brüder waren in den Jahren zuvor bekanntlich aus dem Streiten kaum mehr herausgekommen, die britische Klatsch- und Musikpresse hatte sich über jede Schlagzeile gefreut.
In den Neunzigern haben Oasis mit Bands wie Blur und Pulp den Sound, der Britpop genannt wurde, geprägt, sie sangen und ihre Alben verkauften sich viele Millionen Mal, wurde eines der erfolgreichsten in der Geschichte des englischen Pop. Noel Gallagher schüttelte damals auch dem noch jungen britischen Premierminister Tony Blair die Hand. Der wollte wie Oasis für ein neues Cool Britannia stehen. Lange her.
Während unseres Gesprächs erzählte Noel Gallagher, dass es einen Menschen gebe, in den er sich wirklich gut hineinversetzen könne: Prince William. „Er hat ja auch einen jüngeren Bruder, der, na ja, ein bisschen kompliziert ist“, sagte er. „Ich kann mir vorstellen, dass William manchmal einfach nur denkt: ‚Verdammt noch mal, kannst du nicht einfach mal die Klappe halten?‘ So ist das eben mit einem jüngeren Bruder, der ein großes Mundwerk hat.“ Wobei das Mundwerk von Noel, dem Älteren, bekanntermaßen auch nicht wesentlich kleiner ist. Was er gleich im nächsten Satz unterstrich: „Wenn ich eines Tages zum Ritter geschlagen werde, wird er“, natürlich meinte er seinen Leidensgenossen William, „zu mir sagen: ‚Ich weiß genau, wie es dir geht.'“
Jetzt also das Comeback. Heute Morgen haben die Oasis-Brüder nach tagelangen Gerüchten ganz offiziell verkündet, dass sie nach 15 langen Jahren wieder zusammen auftreten werden, zunächst in Großbritannien und Irland, weitere Konzerte außerhalb der Insel seien in Planung. „Die Waffen sind verstummt. Die Sterne stehen gut. Das große Warten ist vorbei. Kommt und seht“, lassen sich die Brüder in einer Mitteilung gemeinsam zitieren. Und dann, in Anspielung auf das berühmte Zitat von Gil Scott-Heron, der einst sang, sowie in der altbekannten Oasisschen Großmäuligkeit:
Natürlich werden die Brüder mit diesen Konzerten sehr viel Geld verdienen, von zweistelligen Millionen-Pfund-Beträgen ist die Rede, selbstverständlich pro Kopf. Und dennoch: Wenn sogar Oasis, die zerstrittensten Brüder in der Geschichte des Pop, wieder zusammenkommen, dann scheint alles möglich, oder? Vertragen sich etwa auch noch Morrissey und Johnny Marr, inklusive Festplattenformatierung für Ersteren? Finden Kim Gordon und Thurston Moore wieder zusammen, die mit ihrer Trennung im Jahr 2011 nicht nur die gemeinsame Band Sonic Youth, sondern auch eine bestimmte Form der Rockmusik beerdigt haben? Kann Lothar Matthäus beim FC Bayern doch noch mehr werden als Greenkeeper? Erinnern sich George Clooney und Quentin Tarantino wieder an den Auslöser ihres Zerwürfnisses und räumen die Sache aus? Wird Angela Merkel am Ende eine Wahlempfehlung für Friedrich Merz aussprechen? Gibt es sogar noch Hoffnung auf eine dritte Ehe von Jennifer Lopez und Ben Affleck? Und was ist mit Noel Gallaghers Bruder im Geiste, Prince William, und dessen Liam in Kalifornien? Singen auch sie bald:
Oasis treten also wieder zusammen auf, nur neue Musik wollen sie nicht mehr zusammen aufnehmen, so heißt es von der Band. Vielleicht, dachte ich, als ich das las, will sich Noel künftige Studiosessions mit Liam bei aller neu entdeckten Bruderliebe dann doch ersparen. Als er uns im vergangenen Jahr im Podcast über sein Songschreiben berichtete, fiel ihm auch wieder ein, was er erleben musste, nachdem er den allergrößten der vielen Hits von Oasis geschrieben hatte. „Als ich der Band zum ersten Mal vorgespielt habe, haben alle ‚Bäh!‘ gesagt.“ Sein Bruder habe den Song nicht mal singen wollen.