Deutschland wird auch durch den Sozialstaat verteidigt

Bis
2029 sollen die jährlichen Ausgaben für die Bundeswehr schrittweise auf über 150 Milliarden Euro anwachsen. Geplant ist ein
Rüstungsprogramm sondergleichen: Kampfjets, Panzer, Raketen, Drohnen, Schiffe.
Das ist bemerkenswert, da in Deutschland über Jahrzehnte an Schulen, Brücken
und der Unterstützung von Menschen in prekären Lebenslagen gespart wurde. Dennoch
ist eine starke Bundeswehr nötig. Zumindest, solange Russland als neoimperiale Macht agiert,
die ihre Nachbarländer überfällt und europäische Staaten zu destabilisieren versucht.

Doch
Wehrhaftigkeit bemisst sich nicht allein an F-35 Kampfjets. Der neue
Systemkonflikt zwischen Demokratien und Autokratien wird nicht primär
militärisch ausgetragen – sondern durch Versuche gesellschaftlicher
Destabilisierung. Der
nennt als größte Gefahren für die innere
Sicherheit Extremismus, Desinformation, gesellschaftliche Spaltung und
wachsendes Misstrauen in demokratische Institutionen. Sicherheitspolitik bedeutet
daher mehr als den Schutz von Grenzen. Sie umfasst auch die Verteidigung des
demokratischen Gefüges. 

Ein
Blick in die USA verdeutlicht das Problem. 2024 investierte das Land 997
Milliarden Dollar in sein Militär. Dieses steht nun unter dem Kommando eines
Präsidenten, der demokratische Institutionen systematisch aushöhlt. Trumps
zweite Amtszeit erschüttert nicht nur die transatlantische Sicherheitsarchitektur;
auch zentrale Behörden wie das FBI und die Geheimdienste hat er
Verschwörungsideologen wie Kash Patel und Tulsi Gabbard anvertraut. Letztere
fiel wiederholt durch die Verbreitung russischer Propaganda auf.

Der Kampf um die „Herzen und Köpfe“

Das
erscheint umso dramatischer, weil Russland höchstwahrscheinlich nicht nur die
letzten US-Wahlen versucht hat, zu beeinflussen, sondern eine ganze Reihe
westlicher Demokratien gezielt zu destabilisieren versucht, allen voran die
Bundesrepublik. Das bestätigt sowohl der Verfassungsschutz als auch eine
neuere Studie des Institute for Strategic Dialogue
. Bei Russlands Vorgehen kommen
verschiedene Mittel zum Einsatz: Regierungsnahe Influencer erreichen teils ein
Millionenpublikum, derweil die berüchtigten Trollfabriken die
sozialen Medien mit Tausenden Fake-Accounts fluten. Diese verbreiten realitätsverzerrende
Artikel, „impfkritische“ oder antiwoke Memes und Verschwörungstheorien. Das
Ziel ist die Verbreitung von Desinformation, die Diskreditierung von Parteien,
Wissenschaftsbetrieb und etablierten Medien sowie die Polarisierung der
westlichen Gesellschaften. Nutznießer dieser antidemokratischen Schützenhilfe ist
hierzulande vor allem die AfD.

Solche geopolitischen Eingriffe
sind keineswegs neu: Großmächte haben Staaten immer wieder durch politische und
mediale Einflussnahme destabilisiert. Beispielsweise unterstützten
Großbritannien und die USA den Sturz des demokratisch gewählten iranischen Premierministers
Mohammad Mossadegh, nachdem dieser die Anglo-Iranian Oil Company verstaatlicht
hatte. Sie setzten dabei auf Propaganda, die Finanzierung oppositioneller
Gruppen und organisierte Unruhen. Auch in Guatemala oder Chile griffen
die USA in demokratische Prozesse ein.

Eine
realistische Sicherheitspolitik muss diese Art der Einflussnahme mitbedenken. Während
der Systemkonkurrenz des Kalten Krieges nahm die Politik den „Kampf um Herzen und Köpfe“ sehr ernst. Das führte nicht zuletzt zu
Maßnahmen wie die Förderung von Sozialwohnungen, der Bildungsexpansion und dem
Rentenausbau. Der
sicherheitspolitische Gedanke dahinter war simpel: Durch sozialen Ausgleich und
wachsenden Wohlstand sollte die Massenloyalität gegenüber dem eigenen System
gesichert und die Anfälligkeit für kommunistische Propaganda reduziert werden.

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