Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach lautstarken Protesten im eigenen Land und deutlicher Kritik aus der EU einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die zuvor beschnittene Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden wiederherstellen soll. Selenskyj argumentierte weiterhin, die staatlichen Stellen müssten vor russischem Einfluss geschützt werden. Deshalb sollen nun alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Zugang zu Staatsgeheimnissen Lügendetektortests unterzogen werden, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. „Und das müssen regelmäßige Kontrollen sein.“
Einen entsprechenden neuen Gesetzentwurf zur Arbeit der Antikorruptionsbehörden hat Selenskyj demnach bereits in das Parlament – die Werchowna Rada – eingebracht. Es sieht Lügendetektortests innerhalb von sechs Monaten vor.
Korruptionswächter begrüßen Gesetzentwurf
„Der Gesetzentwurf stellt alle prozessualen Vollmachten wieder her und garantiert die Unabhängigkeit vom Nationalen Antikorruptionsbüro (Nabu) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP)“, schrieben die beiden Behörden nach Bekanntwerden von Selenskyjs neuem Gesetzestext auf ihren Telegramkanälen. Nabu und SAP waren demnach an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligt.
Lügendetektortests gab es bereits in der Ukraine, aber nicht in der nun geplanten Dichte. Das Nabu teilte allerdings am Abend erleichtert mit, dass laut dem Gesetzentwurf nicht der Geheimdienst SBU die Tests durchführe, sondern eine verwaltungsinterne Kontrollstelle. Der auf der Seite des Parlaments veröffentlichte Text spricht aber bei der ersten Kontrolle nach Inkrafttreten des Gesetzes explizit vom SBU. Alle nachfolgenden Kontrollen sollen mindestens alle zwei Jahre durch interne Kontrollorgane erfolgen.
Abstimmungstermin für korrigiertes Gesetz unklar
Allerdings war zunächst unklar, wann die Abgeordneten über den Gesetzesentwurf abstimmen werden. Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk versprach bei Facebook, das Dokument in der nächsten Sitzung zur Abstimmung zu stellen. Doch die Werchowna Rada ist laut Abgeordneten erst einmal bis Mitte August in den Sommerferien.
Unterdessen gab es in Kyjiw und anderen Städten der Ukraine erneut Proteste gegen die Einschränkung der Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden durch ein am Dienstag trotz Kritik in einem Eilverfahren unterschriebenes Gesetz. Die Protestierenden forderten die Verabschiedung des neuen Gesetzes, das den Behörden ihre bisherigen Vollmachten wieder zubilligt. Dabei protestieren weniger Menschen als am Vortag. In Kyjiw waren es nach Beobachtungen der Nachrichtenagentur dpa wenige Hundert.