Eine Krisenbranche zeigt neuen Optimismus

Die deutschen Hafenunternehmen und die Werften blicken derzeit optimistischer in die nähere Zukunft als noch vor einem Jahr. Bei den Schifffahrtsunternehmen hingegen wächst die Skepsis. Das sind zentrale Ergebnisse aus der neuen Konjunkturumfrage der IHK Nord in der maritimen Wirtschaft. Die IHK ist der Zusammenschluss von 13 norddeutschen Industrie- und Handelskammern.

Die deutschen Werften haben ihre lang anhaltende Krise überwunden, sie profitieren vom Bedarf an Marine- und Spezialschiffen, Kreuzfahrtschiffen und Superyachten. Auch die globale tätigen deutschen Schiffbau-Zulieferunternehmen berichteten vor wenigen Tagen über weiterhin gute Wachstumsaussichten.

Interessant ist im Rahmen der Konjunkturumfrage auch der Optimismus der Hafenstandorte – seit der Welt-Finanzmarktkrise haben große deutsche Häfen wie Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven tendenziell Ladung und Marktanteile verloren oder aber Stagnation verzeichnet. „Häfen und die Hafenhinterlandanbindungen sind system- und sicherheitsrelevant. Um sie zukunftsfest aufzustellen, müssen aus dem Infrastrukturfonds des Bundes mindestens 15 Milliarden Euro in norddeutsche Hafeninfrastruktur fließen“, sagt Knud Hansen, Vorsitzender der IHK Nord. „Die angekündigten zusätzlichen 400 Millionen Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds sind ein wichtiger Schritt, reichen jedoch bei Weitem nicht aus, um den Investitionsstau aufzulösen.“ Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen zu sichern, müsse sich der Bund „dauerhaft mit mindestens 500 Millionen Euro an den jährlichen Hafenlasten der Länder beteiligen und dafür rasch die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen schaffen“.

Bei der Hafenwirtschaft steigt der Geschäftsklimaindex deutlich um 20,4 auf 97,6 Punkte. Hier schätzen rund 89 Prozent der Betriebe ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder befriedigend ein. 55 Prozent der Betriebe sehen Risiken mit Blick auf die Entwicklung der Arbeitskosten. Knapp 61 Prozent der Unternehmen klagt über Fachkräftemangel und mehr als 83 Prozent über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Auslandsnachfrage sehen über 63 Prozent als wirtschaftliches Risiko.

Leicht zulegen konnte das Konjunkturbarometer im Schiffbau mit einem Plus von rund acht Punkten. Dabei schätzen rund 84 Prozent der befragten Unternehmen die Entwicklung der Geschäftslage als gleichbleibend ein. Neun von zehn Unternehmen bezeichnen ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder befriedigend. Wirtschaftliche Risiken sehen die Werften mit Blick auf die Gewinnung von Fachkräften (63,7 Prozent) als auch auf die Entwicklung der Arbeitskosten (56,9 Prozent) und der Auslandsnachfrage (39,2 Prozent). Die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen bewerten nahezu alle befragten Betriebe (99 Prozent) derzeit als ein großes wirtschaftliches Risiko.

Der Geschäftsklimaindex in der Schifffahrt hingegen verzeichnet ein Minus von 32,5 Punkten und liegt damit bei 76 Punkten. „Die geopolitischen Spannungen und die Unwägbarkeiten in der amerikanischen Zollpolitik verunsichern sehr stark die Schifffahrtsmärkte, aber auch alle anderen Bereiche der maritimen Wirtschaft“, sagte Hansen. „Zwar wurden einige der neuen US-Zölle zunächst bis zum 1. August ausgesetzt, doch bleibt unklar, ob und in welcher Form sie anschließend greifen werden. Diese Hängepartie schafft weiterhin mittel- bis langfristige Unsicherheit für die betroffenen Unternehmen entlang globaler Lieferketten.“

Auch Kriege wirken direkt auf die Schifffahrt. Die Passage durch das Rote Meer gilt als hochgefährlich, weil die jemenitischen Huthi dort Schiffe angreifen oder sie – wie erst vor wenigen Tagen wieder – versenken. Die Huthi kämpfen an der Seite Irans gegen Israel. Die meisten Reedereien – vor allem auch Linienreedereien wie Hapag-Lloyd – nehmen auf ihren Verbindungen zwischen Asien und Europa seit Beginn der Attacken Ende 2023 den weiten Umweg um Südafrika herum.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Die maritime Wirtschaft zählt zu seinen Schwerpunktthemen.