„Meine geliebte Frau“, diese Formulierung ist üblich, wenn ein Tod angezeigt wird. Auf der Traueranzeige der Familie Habermas steht es anders zu lesen: „Wir trauern um Ute Habermas-Wesselhoeft, meine geliebte liebende Frau, unsere sorgende Mutter …“.
Die Wechselseitigkeit ist es, jene seltene Ureigenschaft des Liebens, die jetzt der Gesellschaft öffentlich angezeigt wird. Zudem ist hier die Sorge der Rede wert, jene Haltung, die Menschen gedeihen lässt, die einander ermöglichen wollen und aufeinander achten. Die um die Freiheit des anderen besorgt sind, freiwillig abhängig und verbindlich.
Im Falle des Ehepaars Habermas, das sich seit dem Studium kannte und früh geheiratet hat, galt das fast unvorstellbar lang. Es sind sieben gemeinsame Jahrzehnte gewesen, zuletzt mit Gebrechlichkeitserfahrungen, die für jede Solidarität eine Prüfung sind. Als das uralte Paar im vergangenen Jahr in Göttingen seine Tochter, die Historikerin Rebekka Habermas, zu Grabe tragen musste, war zu sehen, was das bedeutet: gemeinsam die Last tragen.
Ute Habermas-Wesselhoeft war eine Ermöglicherin, wahrhaft solidarisch – ohne sie und ihre Kritik hätte der Philosoph Jürgen Habermas weder die gemeinsamen drei Kinder aufziehen noch sein Werk verfassen, noch das Haus in Starnberg führen können, das jenen etwas gestrigen Namen verdient: ein Haus eben, kein Kleinfamiliengehege, sondern ein Ort, der offen ist für den Geist der Welt. Beide, Geist und Welt, kamen hier zum Tee, zum Wein, zum Gespräch, stetig. Ute Habermas war in diesem Haus das gastgebende Zentrum einer Gelehrtenfamilie, jener sozialhistorisch intellektuell fruchtbaren Formation, die heute so gut wie ausgestorben ist.
Gewiss, es wird längst besser, doch immer noch ist die westdeutsche Gesellschaft von einer historischen Geschlechterordnung geprägt, in der die Frauen „an seiner Seite“ und solche, die sich für ein männliches Lebenswerk „opfern“, zur Elitenroutine gehörten. Deshalb kommt es darauf an, präzise zu sein: Es stimmt, die gelernte Historikerin und Lehrerin Ute Habermas hat für ihre Rolle auf ihren eigenen beruflichen Weg weitgehend verzichtet, ihr Jahrgang 1930 kennt kaum Ausnahmen zu dieser Regel.
Doch diese Sozialdemokratin, Kind einer Familie von Nazi-Gegnern, aus Düsseldorf, war eine umfassend belesene Privatgelehrte, und wenn man Glück hatte, erwischte man im Männergetümmel einen Platz neben ihr, um zu hören, wie sie selbst auf die Lage blickte. Auf den Klimawandel etwa, den die Sozialwissenschaft viel zu lang ignoriert habe. Wenn sie über die Schule ihrer Enkelin erzählte, ging es ihr nicht um privatistisches Plaudern, sondern um Beobachtungen zu einem deutschen Bildungssystem, das sich für die Kulturen der Welt noch kaum öffnete. Ihr zugewandter Geist traute es dem Gegenüber zu, selbst denken zu wollen und nicht belehrt zu werden.
Einmal waren Ute und Jürgen Habermas in Jena zu beobachten, wie sie das Anwesen des Verlegers Frommann besichtigten, man erzählte sich, das sei genealogisch motiviert. Johanna Charlotte Frommann, die Frau des Verlegers Carl Friedrich Ernst, war eine geborene Wesselhoeft: die Frau von. Das war am Beginn jener modernen Öffentlichkeit, deren Philosoph Jürgen Habermas wurde. An Pfingsten ist Ute Habermas im Alter von 95 Jahren gestorben.