Die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zur Reichweitenbeschränkung beim Einsatz deutscher Waffen durch die Ukraine bezog sich Angaben des Kanzlers zufolge auf eine Entscheidung, die bereits vor einiger Zeit getroffen wurde. Dieses
Thema habe „vor einigen Monaten und
einigen Jahren mal eine Rolle gespielt“, sagte Merz bei seinem Besuch in der finnischen Stadt Turku. Die westlichen Länder
hätten diese Auflagen längst aufgegeben. „Insofern habe ich
gestern in Berlin etwas beschrieben, was schon seit Monaten
geschieht“, sagte Merz. Die Ukraine müsse auch das Recht haben, Waffen
gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet
einzusetzen.
Zuvor hatte es deutliche Kritik an einem vermeintlichen Kurswechsel des Kanzlers gegeben. Merz hatte am Montag beim WDR-Europaforum in Berlin gesagt, dass für die von Deutschland an die Ukraine
gelieferten Waffen keine Beschränkungen mehr gelten, was die Reichweite
und damit den Einsatz gegen russisches Territorium angeht. „Es gibt
keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine
geliefert worden sind, weder von den Briten noch von den Franzosen noch
von uns, von den Amerikanern auch nicht“, sagte er. Das heiße, die
Ukraine könne sich jetzt „auch verteidigen, indem sie zum Beispiel
militärische Stellungen in Russland angreift. Das konnte sie bis vor
einiger Zeit nicht“.
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner nannte die Aussage „nicht
hilfreich“. Alles, was den Krieg ausweite, sei falsch, sagte Stegner
dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und rief stattdessen dazu auf,
die diplomatischen Bemühungen zu verstärken.
Merz rechnet nicht zeitnah mit Kriegsende
Merz rechnet nicht mit einem baldigen Ende des Ukraine-Kriegs. „Kriege enden in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische
Erschöpfung einer oder beider Seiten, und davon sind wir in diesem Krieg
offensichtlich noch weit entfernt“, sagte Merz nach einem Treffen mit dem finnischen
Ministerpräsidenten Petteri Orpo in Turku.
Russland warf er vor, sich nicht auf Verhandlungen einlassen zu wollen. Wenn die russische Regierung nicht bereit sei, eine Vermittlung durch den Vatikan zu akzeptieren, zeige dies, dass Russland kein Interesse an einem Waffenstillstand oder einem Friedensabkommen habe, sagte Merz. Das heiße in der Konsequenz, „dass wir unsere Anstrengungen eher noch verstärken müssen,
damit die Ukraine sich verteidigen kann.“
Gipfeltreffen in Turku
Er kündigte an, den Druck auf Russland erhöhen zu wollen. Hybride Angriffe, gekappte Kabel und beschädigte Pipelines seien auch ein Angriff auf Deutschlands Sicherheit. Merz und der finnische Ministerpräsident Orpo
betonten die Notwendigkeit, die eigenen Verteidigungsausgaben
deutlich zu erhöhen.
Merz ist zum Nordischen Gipfel ins finnische Turku gereist. Zugast
sind die Ministerpräsidenten von Finnland, Dänemark, Island, Norwegen
und Schweden sowie politische Vertreter unter anderem aus Grönland. Nach
Angaben der Bundesregierung stehen Sicherheit, Verteidigung und die
wirtschaftliche Entwicklung im Fokus der Gespräche.
Deutschland hat
der Ukraine nur zwei Waffensysteme geliefert, mit denen die ukrainischen
Streitkräfte russische Stellungen und
Nachschublinien weiter hinter der Frontlinie treffen könnten: den
Raketenwerfer Mars II und die Panzerhaubitze 2000. Für diese wurde die
Reichweitenbeschränkung bereits im Mai 2024 aufgehoben. Sie reichen 35
beziehungsweise 85 Kilometer weit. Eine Lieferung des Marschflugkörpers Taurus
mit einer Reichweite von 500 Kilometern, mit dem selbst die russische
Hauptstadt Moskau erreicht werden könnte, ist hingegen bislang nicht
erfolgt und auch nicht vorgesehen.