Merz hilft Meloni

Wenn ein Deutscher eine Italienerin trifft, wird er früher oder später sagen: „Italien ist mein Sehnsuchtsland!“ Darauf kann man Wetten abschließen. Im Falle des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) hätte man sie gewonnen. Als er nämlich am Samstagabend gemeinsam mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom vor die Presse trat, kam ihm dieses Wort über die Lippen.

Wobei man Merz nicht unrecht tun darf. Er sagte nämlich: „Italien ist das Sehnsuchtsland der Deutschen!“ Der Kanzler machte also Meloni im Namen des deutschen Volkes ein Kompliment. Meloni war darüber sichtlich erfreut.

Kein Wunder, steht sie doch zurzeit innenpolitisch unter Druck. Als Merz kürzlich gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, und dem britischen Premier Keir Starmer nach Kyjiw fuhr, da war die italienische Ministerpräsidentin nicht mit von der Partie.

Wie das?, fragten ihre Kritiker zu Hause. Hat denn Meloni nicht seit Amtsantritt im Herbst 2022 versprochen, dass sie Italien in Europa wieder Gehör verschaffen würde, Respekt und Anerkennung? Hatte sie nicht gesagt, dass Italien unter ihrer Führung wieder eine Protagonistin auf europäischer Bühne geworden ist? Und nun das! Da fahren Merz, Macron, Tusk und Starmer nach Kyjiw, und sie bleibt zu Hause! Schlimmer noch: Sie ist noch nicht einmal eingeladen worden. 

Schon mehrmals telefoniert und einmal zu Abend gegessen

Meloni reagierte auf die Kritik der letzten Tage auf die ihr eigene robuste Art. Man sei nicht an Fototerminen interessiert, man arbeite hart und beharrlich jenseits des Scheinwerferlichts an einer Friedenslösung, sagte sie.

Wie auch immer es sich verhalten mag: Für Meloni waren der Staatsbesuch des noch recht frischen deutschen Kanzlers und all seine freundlichen Worte ein Labsal. Schon zu Beginn der Pressekonferenz sagte sie in Richtung ihrer Kritiker, der Besuch von Friedrich Merz widerlege doch alle „Spekulationen über das geringe Interesse an Italien“. Außerdem habe man sich gerade erst in Tirana beim Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft getroffen, schon mehrmals miteinander telefoniert und einmal zu Abend gegessen. Merz sekundierte, indem er noch eine Ebene höher ging: „Italien ist ein strategischer Partner.“

Ob Verteidigung, Migration, Wirtschaft, Europa – überall signalisierten die beiden denn auch größte Übereinstimmung. Sie bekräftigten den Willen, möglichst vieles möglichst schnell voranzubringen. Kein Blatt passte zwischen die beiden.

Doch die Sache mit Kyjiw, das blieb dann doch irgendwie hängen. Warum war dieser strategische Partner nicht dabei, wenn Europa endlich strategisch zu handeln schien? Ist das eine Beleg dafür, dass Meloni nicht zählt, wenn es darauf ankommt, wie ihre Gegner gerne behaupten? Oder wollte sie nicht mitfahren, weil sie ganz anderer Meinung ist als ihre europäischen Bündnispartner? 

Große Mehrheit der Italiener lehnt Militärhilfen für die Ukraine ab

Die Antwort findet man bei den Italienern. In der Wahrnehmung der italienischen Öffentlichkeit läuft das verstärkte europäische Engagement am Ende auf eine Entsendung von europäischen Bodentruppen hinaus. Und das ist für die Italiener ein absolutes No-Go. Kein einziger italienischer Soldat wird je in die Ukraine entsandt werden – darin sind sich Regierung und Opposition einig.

Meloni hat sich zwar vom ersten Tag des russischen Überfalls an die Seite der Ukraine gestellt, sie hat an dieser Position nie einen Zweifel aufkommen lassen, bis heute nicht. Aber sie hat nun einmal das Problem, dass eine große, stabile Mehrheit der Italiener die massive militärische Unterstützung der Ukraine ablehnt. Auch die europäische Aufrüstung als Reaktion auf den russischen Überfall und die Wahl Donald Trumps ins Weiße Haus sehen die Italiener äußerst skeptisch.

Wäre also Meloni mit den anderen vier Regierungschefs nach Kyjiw gefahren, hätte sie sich schnell den Vorwurf eingehandelt, eine Kriegstreiberin zu sein. Was in Italien so ungefähr das Schlimmste ist, was jemand sein kann.

Merz half Meloni nun ein wenig über diese Klippe hinweg. Die Entsendung von Truppen sei kein Thema, es gehe darum, einen Waffenstillstand zu erreichen. Erst danach werde es Friedensverhandlungen geben, die „sehr lange dauern“ werden.

Und Italien, ja, das sei eben „ein strategischer Partner“ – also alles andere als ein unbedeutender Bündnispartner.