Ganz umsonst war das russisch-ukrainische Treffen in Istanbul also nicht. Dass Russland und die Ukraine sich geeinigt haben, jeweils 1.000 Kriegsgefangene freizulassen, ist ein kleiner Fortschritt. Zumal es in der chaotischen Woche voller gegenseitiger Schuldzuweisungen und Druck bisweilen schien, als wäre das Treffen schon gescheitert, bevor es überhaupt begonnen hat.
Ja, sie reden wieder. Und ja, es wäre wohl eine Sensation, wenn beim ersten öffentlichen Treffen zwischen Russland und der Ukraine nach drei Jahren etwas Substanzielles herausgekommen wäre. Doch damit hören die guten Nachrichten auch wieder auf. Zumindest, wenn man nicht mit den Augen eines Kremlbeamten auf die Welt blickt.
Für den russischen Verhandlungsführer Wladimir Medinski gab es am Nachmittag in der Tat einige Gründe, zufrieden zu sein. Die russische Seite sei nach dem Treffen „befriedigt“, sagte er unmittelbar nach dem Ende der Verhandlungen. Beide Länder würden nun eigene detaillierte Pläne vorbereiten, wie sie sich jeweils einen Waffenstillstand vorstellen. Diese Pläne sollen beim nächsten Treffen besprochen werden.
Russland droht mit ewigem Krieg
Allerdings ist im Falle Putins jetzt schon klar, wie er sich diesen Waffenstillstand vorstellt. Mehrere Quellen aus der ukrainischen Delegation berichteten, Medinski habe erneut den Abzug der ukrainischen Truppen aus Gebieten des angegriffenen Landes gefordert, die Russland gar nicht kontrolliere. Putin hat diese Teile der Ukraine illegalerweise in der russischen Verfassung verankert. Medinski soll zudem gedroht haben, dass sich die Ansprüche noch vergrößern und weitere Gebiete umfassen könnten.
Bemerkenswert ist ein weiteres Detail, das Journalisten des Magazins öffentlich gemacht haben: Demnach soll Medinski den Ukrainern noch viele Jahre Krieg in Aussicht gestellt haben, wenn sie sich nicht auf die russischen Forderungen einlassen. Mit den Schweden habe Russlands Zar Peter der Große im 18. Jahrhundert schließlich auch 21 Jahre lang Krieg geführt, soll der Verhandlungsführer gesagt haben.
Damit wird Russlands Taktik noch einmal deutlich. Hinter verschlossenen Türen droht Putin der Ukraine mit einem ewigen Krieg. Und fordert das Land auf, besser jetzt seine Bedingungen zu akzeptieren, als später mit noch mehr Begehrlichkeiten konfrontiert zu werden. Nach außen dringt aber ein etwas anderes Bild. Denn immerhin verhandelt Russland ja nun. Die Delegationen reden. Vermeintlich bewegt sich etwas. Es geht um Detailfragen, es gibt wieder Berührungspunkte, wie etwa den größeren Gefangenenaustausch. Könnte das nicht eben dieser kleine Hoffnungsschimmer sein, auf den alle warten? Und den man als europäischer Regierungschef oder gar Donald Trump lieber nicht durch Sanktionen oder Ultimaten erlöscht? Genauso würde Russland die Ereignisse am Freitag gerne in der Welt verstanden sehen.