Eigentlich will die CDU-Führung um Parteichef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann (47) partout nichts weniger als eine Mitgliederbefragung nach dem Vorbild der SPD. Denn es wäre gefährlich, schwarz auf weiß zu bekommen, was die Basis vom schwarz-roten Koalitionsvertrag hält.
► Grund: Unter den Mitgliedern brodelt es, insbesondere wegen der nach der Wahl beschlossenen Giga-Schuldenpakete, von denen vorher keine Rede war.
► Problem: Der von Berlins selbstbewusstem Bürgermeister Kai Wegner geführte CDU-Landesverband in der Hauptstadt pfeift auf die Vorbehalte. Seine Berliner CDU hat parallel zum bundesweit laufenden SPD-Mitgliederentscheid kurzerhand eine eigene, großangelegte Befragung unter allen Mitgliedern des Landesverbands gestartet.
Darin heißt es keck, bei der „unprätentiösen Vorstellung“ der Ergebnisse hätten sich die Parteichefs zuversichtlich gezeigt, Deutschland und Europa nach vorn zu bringen. Nun aber will man von den fast 13.000 Berliner CDU-Mitgliedern wissen: „Wie bewerten Sie das Ergebnis?” Dazu sollen alle Berliner CDUler online einen Fragebogen ausfüllen, in dem u. a. die Meinung zum Mega-Schuldenpaket, zu Schwarz-Rot generell, den Verschärfungen der Migrationspolitik („Glauben Sie, dass diese Maßnahmen eine sachgerechte Lösung sind?“) und den Änderungen beim Bürgergeld abgefragt wird.
► Pikant: Das Verhältnis von CDU-Chef Friedrich Merz und Wegner gilt als belastet, u. a. weil Wegner zum Ärger von Merz in der Vergangenheit immer wieder lautstark gefordert hatte, die Schuldenbremse aufzuweichen, um den Ländern mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu geben. Merz hatte davon aber lange nichts wissen wollen.
Eine bewusste Provokation in Richtung der Bundespartei?
Berlins CDU-Landesgeschäftsführer Dirk Reitze gab sich auf BILD-Anfrage unbekümmert, beteuerte: „Unsere Umfrage ist völlig anders angelegt als der SPD-Mitgliederentscheid. Wir fragen unsere Mitglieder nach einer Einschätzung zu zwölf verschiedenen Themen des Koalitionsvertrags.“
Die Frage, ob die Aktion mit der Bundespartei abgesprochen sei, „stellt sich nicht, weil Landesverbände autonom sind“, so Reitze. Außerdem befrage die CDU Berlin seit mehr als zehn Jahren drei- bis viermal pro Jahr ihre Mitglieder zu aktuellen Themen. Erfinder des Formats war nach BILD-Informationen: Kai Wegner. Die Umfrage endet am kommenden Donnerstag – also rechtzeitig vor Ostern.
Der CDU-Mitgliederbeauftragte im Bund, Philipp Amthor, lobt die Aktion indes: „Wenn Landesverbände ihre autonomen Spielräume nutzen, habe ich absolut nichts dagegen.“ Es sei „gut“, dass die CDU Berlin ihre Mitglieder in dieser Form einbeziehe, sagte er BILD.
Vielleicht ziehen jetzt sogar andere Landesverbände nach?