Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (44, CDU) hat den schwarz-roten Koalitionsvertrag an entscheidender Stelle mitverhandelt. BILD traf Spahn zum Interview über die Pläne der neuen Regierung, die erstarkte Konkurrenz durch die AfD und den Zustand der Staatsfinanzen. Es galt das gesprochene Wort.

Spahn ging die Wette ein: Allein der Umstand, dass Deutschland Friedrich Merz als Kanzler habe sowie eine Regierung, die „einen Plan hat, vor allem, wie sie die Wirtschaft wieder in Gang bringen will“, sagt Spahn, „allein das wird diesem Land wieder Wachstum geben.“ Ziel sei ein Prozent Wachstum zusätzlich.

ABER: Nötig sind aus Sicht des Wirtschafts-Experten auch Strukturreformen, Steuersenkungen und ein Bürokratie- und Energiekostenschwund sowie ein flexiblerer Arbeitsmarkt, um aus der Rezession zu kommen.

Die beschlossenen neuen Schulden für die Verteidigung und die Infrastruktur bedeuteten nicht, dass Geld für alles da sei – „im Gegenteil!“

Spahn: „Die fetten Jahre sind vorbei, für den Staat selbst“

Die knallharte Ansage des Unions-Vordenkers: „Die fetten Jahre sind vorbei, für den Staat selbst.“ Spahn verwies auf bereits vereinbarte Reformen: „Wir werden die Bundesverwaltung um acht Prozent herunterfahren, bei den Stellen jedes Jahr zwei Prozent der Stellen runter. Wir werden auch die Zahl der Beauftragten halbieren.“

Dabei dürfe es aber nicht bleiben: „Alles ist unter Finanzierungsvorbehalt, was jetzt nicht unter die ersten priorisierten Maßnahmen fällt. Und ja, wir müssen auch jede Ausgabe auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Also: Das ist damit nicht erledigt.“

Spahns Prognose: „Wer immer Finanzminister wird, der hat da eine ziemliche Aufgabe vor sich.“

Spahn: Dürfen Wähler der AfD nicht ignorieren!

Was die Machtverhältnisse im neuen Bundestag betrifft, ist für Spahn der Fall klar: „Ich kann jedem empfehlen, der jetzt in Verantwortung kommt in dieser Regierung und in der Fraktion im Bundestag, sich an die Bürowand – im Zweifel an der Tür, wo man oft vorbeimuss, einfach das Wahlergebnis vom 23. Februar hinzuhängen, als ständige Mahnung, was unser Auftrag ist, nämlich Vertrauen zurückzugewinnen.“

Es gelte, einfach mal „zu schauen, was da passiert ist“. „Welchen großen Block – fast ein Viertel – jetzt da die extreme Rechte einnimmt, und übrigens auf der anderen Seite die populistische extreme Linke einnimmt, und wie klein in Relation der Mittelteil geworden ist. Wenn man das jeden Tag sich (…) in Erinnerung ruft, dann glaube ich, hat man die richtige Richtschnur, was die Aufgabe ist.“

Harte Auseinandersetzung erwartet

Spahn sagt: „Im Bundestag hat sich was verändert, schon im Ton, in der Auseinandersetzung. Das wird jetzt im Zweifel noch krasser werden. Und ich empfehle uns, da die richtige Mischung zu finden, sich nicht provozieren zu lassen, über jedes Stöckchen zu springen, das da hingehalten wird.“ Die Politik müsse „auch einfach anerkennen“, „wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt haben“. „Deswegen sitzt sie da so stark.“

Es sei nötig, „immer im Kopf zu haben: Die sitzen da so stark, weil Wählerinnen und Wähler uns etwas sagen wollten“. Und Spahn mahnt: „Wir sollten sie schon ernst nehmen, diese Wählerinnen und Wähler.“

Umgang wie mit jeder anderen Oppositionspartei

Dass bislang kein AfD-Kandidat bei der Wahl zum Bundestagsvize die nötige Mehrheit erhalten hat, sieht Spahn nüchtern: „Es ist eine Wahl durch die Mitglieder des Bundestages, eine geheime Wahl und da entscheidet jedes Mitglied des Bundestages für sich.“ Hier gehe es um ein „Repräsentationsamt und da sollte man schon die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages hinter sich haben, um das vertreten zu können.“

Aber: „Der andere Teil sind ja die Abläufe im Bundestag, die Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen, die Minderheits- und Mehrheitsrechte. Und da würde ich uns einfach empfehlen, mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch.“

Spahn zur nötigen Verschärfung der Migrationspolitik

„Der neue Innenminister, da bin ich sehr sicher, wird sehr schnell loslegen und einen Unterschied machen, vor der Sommerpause dieses Jahres.“ 

Auch Deutschlands Nachbarn in Europa verstünden, „dass das so nicht mehr weitergehen kann, dass sozusagen die Probleme der illegalen Migration in Europa fast alle zulasten Deutschlands gelöst werden, weil am Ende alle oder viele deutlich überproportional in Deutschland ankommen. Das heißt eben: Es geht nicht einfach weiter über die Grenze.“