Deutschlands Wirtschaft steht still: Die führenden Wirtschaftsinstitute sehen für dieses Jahr nur ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent. Zündet Schwarz-Rot jetzt den Wachstums-Turbo? Kommt die versprochene Wirtschaftswende? Das sagen Experten zum Koalitionspapier!

Steuerpläne

Die Körperschaftssteuer soll ab 2028 um ein Prozent jährlich runter (bis 2032), zudem plane SchwarzRot einen sogenannten Investitionsbooster – in Form einer Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen in Höhe von 30 Prozent.

▶︎ Laut Clemens Fuest, dem Chef des ifo Instituts, ist es der richtige Weg: „Was breite Einkommensteuerentlastungen angeht, hat man sich eher zurückgehalten. Aber die politische Entscheidung, Wachstum zu priorisieren, ist in der aktuellen Lage angesichts der Stagnation und der Schwäche der privaten Investitionen überzeugend“, sagt der Ökonom zu BILD.

▶︎ Ganz anders beurteilt das Marc S. Tenbieg, Chef des Deutschen Mittelstandsbund (DMB). Er sagt zu BILD: „Im Koalitionsvertrag steckt manches Versprechen, doch für die dringlichsten Nöte des Mittelstands bleibt er zu vage“. Das Problem sei vor allem die späte Umsetzung: „Die Senkung der Körperschaftssteuer kommt frühestens 2028. Für Unternehmen, die jetzt bereits wirtschaftlich kämpfen, ist das zu spät.“

Strompreis-Entlastung

Schwarz-Rot plant: Energieintensive Unternehmen sollen mit einem Industriestrompreis – d.h. einem begrenzten Strompreis – entlastet werden.

▶︎ Das reicht noch nicht, findet Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): „Die kurzfristige, konkrete Entlastung von Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten von zu hohen Energiekosten ist wichtig und richtig.“ Was bislang fehle, sei „ein Gesamtkonzept aus notwendigen strukturellen und mutigen Maßnahmen, die langfristig für international wettbewerbsfähige Energiepreise sorgen.“

Auto-Standort Deutschland

Für unter anderem die schwächelnde Auto-Industrie (Audi -33 Prozent Gewinneinbruch, VW -30 Prozent, Porsche -30 Prozent) soll ein Deutschlandfonds aufgebaut werden. Im Koalitionspapier steht: Kein Verbot von Antriebsarten (z.B. Verbrenner), sondern „Förderung über Anreize“ (z. B. Steuervergünstigungen, Ladeinfrastruktur, Batteriezellfertigung für E-Autos). Dazu Kfz-Steuerbefreiung für Stromer bis 2035.

▶︎ Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie e.V. (VDA), sagt: „Das Programm von Union und SPD setzt erste wichtige und richtige Akzente, bleibt in einigen Bereichen allerdings auch hinter den dringenden Notwendigkeiten zurück. Insbesondere die Finanzierungsvorbehalte, die sich an vielen Stellen durch den Koalitionsvertrag ziehen, lassen viele Fragen offen.“

Steuerfreie Überstunden

Zuschläge für Überstunden sollen steuerfrei werden. Damit soll sich Mehrarbeit lohnen, heißt es im Koalitionspapier.

Arbeitsmarkt-Experte Dr. Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) sagt zu BILD: „Von der Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen sind keine nennenswerten Beiträge zur Stabilisierung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens zu erwarten.“

Denn: Die Deutschen arbeiten zu wenig!

Mindestlohn

Der Mindestlohn soll nach dem Verhandlungspapier zum 1. Januar 2026 von derzeit 12,82 Euro auf 15 Euro pro Stunde steigen.

▶︎ Der Handelsverband tobt! In einem Brandbrief (liegt BILD vor), den unter anderem der Deutsche Bauernverband, das Deutsche Bäckerhandwerk und die Gesamtmetall unterschriebenen haben, heißt es: „Die staatliche Lohnfestsetzung ist Gift für unser Land!“

Man warne im Hinblick auf die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde vor „fatalen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit“. Viele Arbeitgeber, insbesondere im Mittelstand, könnten die schrittweise Anhebung „seit 2022 um 30 Prozent bereits nicht mehr stemmen“.

Bürokratieabbau

Bürokratiekosten sollen um 25 Prozent gesenkt und Verwaltung abbauen, aber zugleich neue Aufsichtsstrukturen und „Praxischecks“ einführen.

▶︎ „Das ist kein Abbau, das ist ein institutionalisierter Selbstbetrug. Wo bleibt die wirkliche Deregulierung, die nicht nur Prozesse digitalisiert, sondern ganze Anforderungen über Bord wirft?“ Ein Dauerbrenner – ohne Flamme, meinen Sarna Röser und Josef Brunner, die zusammen die Initiative „Unternehmer in Bewegung“ gegründet haben.

Fazit: Es reicht nicht!

Fazit laut Michael Hüther, Chef des renommierten Wirtschaftsinstituts IW Köln: „Der Koalitionsvertrag will die schwächelnde Wirtschaft in Schwung bringen – in Teilen ist das Ergebnis aber hinter dem Anspruch zurück.“ Er fährt fort: „Die ersten Monate werden zeigen, ob Schwarz-Rot der Wirtschaft tatsächlich helfen will.“