Roman zeigt seine Narbe. Sie zieht sich von der Schulter fast
bis zum Ellenbogen. Eine russische Drohne hat seinen Oberarm zerfetzt. Getroffen hat sie ihn in der Ostukraine, wo genau, das bleibt geheim.
Der Vater von zwei Jungen hat für sein Heimatland an der Front gekämpft. Den Angriff der Drohne hätte er fast nicht überlebt. Schwer verwundet haben ihn erst ukrainische Sanitäter zusammengeflickt, dann wurde er nach Deutschland gebracht.
Seit
September 2024 lebt Roman, 40 Jahre alt, in Hamburg, der Zufall hat ihn an die
Elbe gebracht. Wie viele andere Verwundete wurde er aus der Ukraine ausgeflogen, um in Westeuropa behandelt zu werden. Er kam über das Kleeblatt-Verfahren, das die Patienten nach Auslastung der Kliniken verteilt, nach Norddeutschland. Stolz betonen deutsche Politikerinnen und Politiker immer wieder, dass
kein Land mehr ukrainische Soldaten medizinisch versorge als die Bundesrepublik.
Aber nach den Behandlungen bleiben die Patienten weitgehend sich selbst
überlassen.
Roman war zwei Wochen lang in einem Hamburger Krankenhaus. Er sei den Ärzten
dankbar, sagt er. Sie hätten ihn gerettet. Bislang wurde er zweimal operiert, bald soll eine weitere OP folgen. Solange seine Behandlung nicht abgeschlossen ist, ist er in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht.
Neben ihm in einem Café im
Hamburger Osten sitzt Sasha, 30 Jahre alt. Auch er war Soldat. Auch er hat nur knapp überlebt. Eine große Narbe verläuft entlang seines Kinns, eine weitere ist am Hals zu sehen. Seit
vier Monaten lebt er wie Roman in einer Flüchtlingsunterkunft. Wo genau, das soll – wie die Nachnamen der beiden – aus
Sicherheitsgründen nicht geschrieben werden.
Roman und Sasha schütteln den Kopf über die Behörden
Wenn die Mediziner ihre Arbeit getan haben, gelten die Verwundeten aus der Ukraine in Deutschland als gewöhnliche Flüchtlinge. „Es gibt keinen Sonderstatus für ukrainische Veteranen“, sagt Lilia Ketler von der Organisation UA Veterans Germany. In Hamburg betreuen sie und andere derzeit 15 ukrainische Veteranen, die in Unterkünften für Schutzsuchende leben. Dazu kommen Männer, die sich noch in Krankenhäusern befinden oder aus der Armee entlassen wurden und eigene Wohnungen gefunden haben.
Es sind Freiwillige wie Ketler, die dafür sorgen, dass die ukrainischen Veteranen nicht verloren gehen in der deutschen Bürokratie. Sie empfangen sie am Flughafen und begleiten sie zu ihren Eingriffen in die Bundeswehrkrankenhäuser und andere Kliniken, später zu Terminen bei Fachärzten, Psychologinnen und Behörden, um zu dolmetschen.
Nur gut 30 Prozent der in Deutschland behandelten Veteranen kehren in ihre Einheiten und auch an die Front zurück. Der Großteil der verwundeten Soldaten bleibt zunächst. Um sämtliche Nachbehandlungen, bei denen etwa noch Splitter entfernt oder Prothesen angepasst werden, müssen sich die Ukrainerinnen und Ukrainer dann aber selbst kümmern, erklärt Ketler. Sie müssen Fachärzte finden, die sie als Patienten aufnehmen und seitenlange Anträge auf Deutsch ausfüllen, bei denen sie mitunter den genauen Unfallverlauf schildern sollen – als seien sie im Straßenverkehr versehrt worden und nicht bei einem Raketenbeschuss oder einer Drohnenattacke.
Viele der Veteranen sind dazu allein nicht in der Lage. Sie nehmen starke Schmerzmittel, sind traumatisiert, haben Albträume. Psychologische Unterstützung für die Veteranen gebe es aber kaum, sagt Ketler. „Erst recht nicht auf Ukrainisch.“ Zwar seien unter den nach Deutschland geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainern auch Mediziner und Therapeutinnen. Weil ihre Abschlüsse und Qualifikationen hier aber oft nicht anerkannt werden, dürfen sie ihre Landsleute nicht behandeln.
„Wenn die Ehrenamtlichen nicht wären, würde sich niemand um uns kümmern“, sagt Roman. Sasha berichtet, er sei ohne Pass in Deutschland angekommen und habe beim ukrainischen Konsulat erst einmal 120 Euro für ein Ersatzdokument zahlen müssen, bevor er behandelt werden konnte. Beide schütteln den Kopf über das Verhalten der deutschen und ukrainischen Behörden.