Europa-Hass, Ukraine-Erniedrigung, Russen-Kuscheln – und jetzt auch noch der Zoll-Hammer: Beim Frühstück hat meine Frau gefragt, ob man jetzt US-Produkte boykottieren muss, wie es so viele fordern. Oder ob wir den Quatsch einfach lassen.

Ich habe überlegt, was dann alles nicht mehr geht – und aus Denkfaulheit angefangen zu googeln. Bis mir eingefallen ist: Geht schon mal gar nicht – Google ist ein US-Tech-Gigant. Und außerdem habe ich das auf einem Apple-Laptop gemacht und mit dem Chrome-Browser. Ich habe dann auf meinem Südkorea-Handy weitermachen wollen – doch das läuft mit der Android-Software von Google. Und als US-KI-Ersatz zum Befragen hatte ich nur so ein China-Ding auf dem Telefon …

Mist – schon ganz am Anfang gescheitert.

Zumal wir beim Frühstück auch überlegt haben, was wir am Abend bei welchem Streaming-Anbieter zusammen gucken – wir haben sie nämlich alle: Wow, Paramount+, Disney+, Netflix, Amazon Prime und AppleTV+. Und alle sind aus Amerika. Meine Frau guckt aber ab und an Filme in einer dieser deutschen Mediatheken – ich nur Bundestag oder Fußball.

Und auch das ist mir auf dem Weg zum „Ami-Boykotteur“ im Weg: Ich hasse Länder-Boykotts. Aus Prinzip und weil es mir zu anstrengend ist. Bei Russland mache ich das, weil es einfach ist: Was soll ich von da auch kaufen wollen?

Aber in Sachen Amerika ist etwas in Gang gekommen: Populär sind derzeit vor allem die Aufrufe, US-Produkte oder –Konzerne zu boykottieren. Ja, das ist jetzt nicht mehr nur etwas für die Linken, die schon immer in ihrem Anti-Amerikanismus badeten, anstatt in Badeschaum von Dove. Auch Transatlantiker sind jetzt dafür, möglichst wenig von der anderen Seite des großen Teichs zu nutzen – zur Sicherheit.

Einer von ihnen: Andrej Novak (47) aus Nürnberg von der „Allianz für europäische Sicherheit“. Der Politologe ist ausgemachter Russland-Kritiker, hat in den USA gearbeitet und ist Transatlantiker. Also: unverdächtig.

„Es muss den Großkonzernen wie Heinz, Coca-Cola oder McDonalds wehtun“

Aber nun hat er eben mit Trump und Putin zwei Probleme und die Sorge, dass die USA Russland unterstützen und die Demokratie und die Gewaltenteilung unter Trump abgebaut werde. Novak: „Das kann man nur ganz am Anfang stoppen.“ Ein Mittel: Es muss den Großkonzernen wie Heinz, Coca-Cola oder McDonalds wehtun.“

Gut, das ginge, ich bin Diabetiker – und trinke und esse auch die deutschen Ersatz-Marken nicht. Ami-Bier kann man nicht trinken, und Erdnussbutter habe ich noch nie verstanden.

Novak, gebürtiger Kroate, empfiehlt Boykott-Interessierten als Suchmaschinen-Ersatz „Startpage“ (Holland) oder „Qwant“ (deutsch-französisch). Als Browser käme „Vivaldi“ (Norwegen) infrage. Novaks „Allianz für Europäische Sicherheit“ hat einen Ratgeber-Flyer mit Europa-Surrogaten für US-Software erstellt – vom Übersetzer über das Mailprogramm bis hin zum Navigator. Die haben bisher nur bei Datensicherheits-Nerds wie unserem Sohn Konjunktur – könnten wir Alten die jetzt zum Erfolg boykottieren?

Unsere E-Mails kriegt der Trump nicht!

Novak sagt, es sei gerade bei sicherheitsrelevanten Dingen wie E-Mail- und Chat-Programmen wichtig, wer mitlesen könne: In den USA nämlich auch die Nachrichtendienste – per Gesetz. „Das war mir immer lieber als die Russen“, so Novak. Aber jetzt könne man sich nicht mehr sicher sein, dass aus den US unter Trump nicht doch bald Gmail-Daten und WhatsApp-Nachrichten nach Russland gehen.

Meine Frau sagt: „Wir sind doch bei Web.de, die sind doch deutsch, oder?“ Ja, zumindest unsere E-Mails, die kriegt der Trump nicht!

Für Hardcore-Boykottisten hat Novak bald auch Formulare zum Ausdrucken, um im Supermarkt-Beschwerdekasten die Umstellung von zu vielen US- auf mehr Europa-Produkte zu fordern.

Und auch für Serien-Junkies hat er einen Rat: „Wer gar nicht anders kann, der sollte Netflix nur monatsweise buchen – und dann in einem Rutsch alles einmal durchschauen. Das tut denen schon weh, wenn die keine Jahresabos mehr verkaufen.“

Ich weiß nicht, ob ich das schaffe: zehn Monate Tatort und nur zwei Monate mit Ami-Serien.

Unser BILD-Politik-Vize Filipp Piatov hat dann für mich einen Ökonomen befragt: Dr. Daniel Stelter, Volkswirt, Buchautor und Strategieberater. Und der war dann meine Rettung:

▶︎ Auf die Frage, ob es volkswirtschaftlich Sinn mache, wenn deutsche Verbraucher nun versuchen, auf Produkte von US-Unternehmen zu verzichten, sagte er: „Die Verbraucher sollten weiterhin das Produkt nehmen, welches sie bevorzugen.“ Und den Satz hier: „Boykott mag emotional eine verständliche Reaktion sein, ist aber ökonomisch nicht sinnvoll.“

Und Dinge, die keinen Sinn machen, muss ich auch nicht machen.

Außerdem fahren wir ja schon aus Prinzip kein Tesla-Auto: Das tun wir unseren beiden großen Hunden nicht an – die passen da nicht rein.

Nur über einen Boykott können wir noch reden: Ich werde mir wohl keins der künftigen Trikots der Fußball-Nationalmannschaft kaufen – die sind nicht mehr von UNSEREM Adidas, sondern Ami-Nike. Und meine Frau sagt, dass mir Trikots nicht stehen …