Skandal-Urteil oder Sieg der Gerechtigkeit? Der Pariser Strafgerichtshof hat die Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen (56) für fünf Jahre aus der Politik verbannt. Sie darf nicht mehr für das Präsidentenamt kandidieren, muss zudem zwei Jahre eine Fußfessel tragen, ist weitere zwei Jahre auf Bewährung. Welche Folgen hat das Hammer-Urteil für Frankreich und für uns Deutsche?

BILD fragte den Frankreich-Experten Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

„Das Urteil wird den Machtkampf der Linken und Rechten im Land deutlich verschärfen“, glaubt Politik-Wissenschaftler Ross. In Le Pens Partei, dem Rassemblement National (RN), „waren viele überrascht. Auch Marine Le Pen scheint den Rechtsstreit und seine Folgen unterschätzt zu haben.“

Umso heftiger fallen jetzt die Reaktionen aus: Le Pen selbst spricht von einer „juristischen Guillotine“. Ihr Parteichef Jordan Bardella (29) nennt den Richterspruch gar „eine Hinrichtung der französischen Demokratie“.

Unklar sei, so Ross, ob Le Pens Rolle als „Märtyrerin“ ihrer RN-Partei neuen Zulauf bringt oder bürgerliche Wähler eher verschreckt. Zwar sei die Partei seit ihrer Gründung auf den Namen Le Pen zugeschnitten. „Doch ihr Nachfolger Bardella hat als Spitzenkandidat schon die Europawahl 2024 mit weitem Abstand gewonnen.“

Das große Problem des amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron (47) sei, so Ross, „dass er keinen Nachfolger in seiner Umgebung aufgebaut und benannt hat.“ Das mindere die Chancen des bürgerlichen Lagers, sich bei der Präsidentenwahl 2027 gegen die Rechtsaußen-Konkurrenz zu behaupten.

„Regelrechte Merz-Begeisterung“

Vorerst positiv werde sich der Polit-Bann Le Pens aber auf die deutsch-französischen Beziehungen auswirken, glaubt Ross: „Für den Moment ist durch die Verurteilung das Szenario eines Wahlsiegs der Rechtspopulisten 2027 unwahrscheinlicher geworden. Viele Franzosen setzen jetzt darauf, dass sich unter einem Kanzler Friedrich Merz die Stimmung zwischen Paris und Berlin wieder verbessert.“

„Es herrscht regelrechte Merz-Begeisterung“, sagt Ross. „Die Schuldenbremse ist gelockert, die deutschen Wirtschaftshilfen könnten mittelbar auch französischen Unternehmen zugutekommen. Und auch das Angebot von Präsident Macron, Deutschland und Europa unter einem französischen Atom-Schutzschirm zu vereinen, stößt in Berlin nicht mehr auf taube Ohren.“

Politisch, wirtschaftlich und militärisch setzten Frankreichs Präsident, die Regierung und das französische Volk „große Erwartungen in die neue deutsche Regierung“.