Harte Worte eines sehr verdienten ehemaligen Mitarbeiters!

Im „Münchner Merkur“ äußert der langjährige Mannschaftsarzt des FC Bayern, Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (82), deutliche Kritik an den aktuellen Stars des Tabellenführers der Bundesliga – und auch daran, wie der Verein mit ihm selbst umgegangen ist.

Müller-Wohlfahrt: „Wenn ich mir die Mannschaft heute ansehe, fehlt mir die Identifikation zahlreicher Spieler mit dem Verein. Es ist ein Gefühl! Der FC Bayern war eine Familie, heute ist er aber mehr und mehr zu einem Großunternehmen geworden. Die Spieler rangieren auf einer Werteskala je nach Ablösesumme.“ Rumms!

Im Juli 2020 hatte der Star-Doc seine Tätigkeit als Bayern-Mannschaftsarzt nach über 40 Jahren endgültig beendet, kümmert sich seither voll und ganz um seine Praxis in der Münchner Innenstadt. Jetzt rechnet er mit den Bayern ab.

Müller-Wohlfahrt hat den Rekordmeister aus der Ferne im Blick: „Ich sehe mich als stiller Beobachter. Wiederholt hätte ich gerne eingegriffen, um bei medizinischen Problemen zu helfen. Das waren so meine Gedankenspiele. Zu Uli und einigen anderen besteht nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis.“

Mit Uli ist Vereinslegende Uli Hoeneß (73) gemeint, der bei den Bayern aktuell nach wie vor Aufsichtsratsmitglied und zudem Ehrenpräsident ist.

Aber es gab auch schwierigere Zeiten in seiner Kariere. 2015 folgte sogar der Knall. Nach einem Vorfall unter Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola (54, von 2013 bis 2016 in München) legte er seine Arbeit nieder.

Müller-Wohlfahrt: „Unter Jürgen Klinsmann [d.Red.: war 2008/2009 Bayern-Trainer] wollte ich schon mal hinschmeißen, da hat Uli Hoeneß gesagt: Kommt gar nicht infrage! Halt dich vorübergehend etwas zurück, aber du bleibst bei uns.“

Und weiter: „Unter Guardiola aber musste ich handeln, Uli war nicht verfügbar. Der fürchterliche Eklat in Porto hat mich tief getroffen. Von der anwesenden Vereinsführung hätte ich mir aufgrund meiner Verdienste Rückendeckung erwartet. Ich hätte Schuld an der Niederlage, lautete der Vorwurf. Das ist doch absurd! Das konnte ich nicht akzeptieren“, so Wohlfahrt.

Hintergrund: Nach der 1:3-Hinspielniederlage der Bayern im Champions-League-Viertelfinale 2015 in Porto (Rückspiel: 6:1) wurde Wohlfahrt nach Abpfiff von Guardiola vor versammelter Mannschaft zusammengeschrien und für die damals vielen Verletzten verantwortlich gemacht. Am Tag darauf trat er zurück. Hoeneß war zu dieser Zeit nach seiner Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung nur Nachwuchskoordinator, konnte ihm also nicht helfen. Müller-Wohlfahrt kehrte dann 2017 noch einmal zu Bayern zurück.

Im Nachgang möchte Müller-Wohlfahrt die Zeit nicht missen, auch wenn nicht immer alles glattlief: „Tief getroffen haben mich menschliche Enttäuschungen. Ich habe von mir aus die Vereinsarzttätigkeit beendet. Der Verein war lange Jahrzehnte Teil meines Lebens. Ich habe mich mit dem Verein identifiziert und das Mia san Mia verinnerlicht. Durch mein Tun fühle ich mich als Teil der Geschichte, des Aufbaus und des Erfolgs des FC Bayern. Die Geschichte ist geschrieben …“

Müller-Wohlfahrt wurde im Gegensatz zu vielen verdienten Ex-Spielern nie offiziell vom FC Bayern verabschiedet. Der Grund dafür ist dem langjährigen Mannschaftsarzt ein Rätsel.

Müller-Wohlfahrt: „Wissen Sie, wie oft ich von Bayernmitgliedern die Frage gehört habe, warum es keine Standing Ovations, keine Blasmusik, kein Abschiedsgeschenk, kein Essen, keine Geste gegeben habe? Meine Reaktion darauf: die Antwort kann nur der Verein geben.“

Zwischen den Zeilen eine doch recht deutliche Kritik …