Es ist ein gigantisches Unterfangen – und der Zeitplan enorm straff.
Seit Donnerstag verhandeln 256 Politiker von CDU, CSU und SPD in 16 Arbeitsgruppen den Koalitionsvertrag der nächsten Großen Koalition.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden am Ende der zentralen Verhandlungsrunde mit 19 Mitgliedern vorgelegt, der die Parteichefs Merz (CDU), Lars Klingbeil, Saskia Esken (beide SPD) und Söder (CSU) angehören. Dort wird dann der Feinschliff vorgenommen. Am Ende steht ein Finanzcheck für alle Maßnahmen.
Wenn der Koalitionsvertrag dann fertig ist, bedarf er noch der Zustimmung der zuständigen Gremien der drei beteiligten Parteien. Die SPD will außerdem ihre Mitglieder befragen.
Weil nach dem Plan von Kanzler-in-spe Friedrich Merz bis 23. April die Regierung stehen soll, müssen sich alle mächtig sputen.
Das birgt Gefahren, denn der Teufel steckt bei den Verhandlungen im Detail. Grund: Im Sondierungspapier ist nicht jedes Vorhaben so klar ausformuliert, dass darüber nicht doch noch neue Debatten ausbrechen können bzw. aus Sicht der Koalitionäre sogar müssen.
Einflussreiche CDU-Vorstände warnen hinter vorgehaltener Hand, Meinungsverschiedenheiten im Papier einfach mit Wortgirlanden zuzukleistern. Wo Zündstoff-Positionen aufeinandertreffen, müsse im Gegenteil besonders genau gearbeitet und ausformuliert werden, was nun gelten soll.
BILD nennt die wichtigen Zoff-Punkte
► Migration: Zwar gelang es der Union in harten Verhandlungen, dass im Sondierungspapier ausdrücklich davon die Rede ist, dass künftig auch Zurückweisungen von Asylbewerbern an der Grenze möglich sind. Der Haken Zurückweisungen sollen „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ durchgeführt werden. Die CDU/CSU beharrt darauf, dass „in Abstimmung“ nicht bedeute, dass die Nachbarstaaten einverstanden sind. Die SPD behauptet das Gegenteil. Union und SPD müssen diesen Streit entscheiden. Schon 2018 hatte Österreich das abgelehnt.
► Mindestlohn: Die SPD erwartet 2026 eine Erhöhung von 12,82 Euro/Stunde auf 15 Euro. Doch CDU-General Carsten Linnemann sagte jetzt im BILD-Interview: Die Höhe 2026 ist völlig offen.
Denn: „Die Mindestlohn-Kommission wird die Löhne festlegen.“ Im Sondierungspapier steht: Die Mindestlohn-Kommission soll sich künftig bei der Festlegung der Höhe an dem europäischen Richtwert von 60 Prozent des mittleren Lohns für Vollzeitbeschäftigte orientieren. „Unter diesen Bedingungen kann ein Mindestlohn von 15 Euro dann 2026 erreicht werden“, heißt es im Sondierungspapier. Streitpunkt: Was ist, wenn sich die Mindestlohn-Kommission (besteht aus Arbeitgebern und Gewerkschaftern) sich bei ihrer Verhandlungsrunde im Juni nicht dran hält? Akzeptiert der künftige Arbeitsminister dann trotzdem den Vorschlag? SPD sagt nein, Union ja.
► Rente: Die SPD will das Rentenniveau garantieren. Das gibt an, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns ein Rentner bekommt, der 45 Jahre lang zum jeweiligen Durchschnittslohns gearbeitet hat. Die SPD will das Rentenniveau bis 2040 bei mindestens 48 Prozent festschreiben. CDU-General Linnemann stellte aber jetzt klar: „Wenn dieses Land nicht mehr wächst, werden wir uns das Rentenniveau nicht mehr leisten können.“ Und: Im Sondierungspapier ist nur die Rede vom stabilen Rentenniveau, aber es wird NICHT die Zahl 48 Prozent genannt.
►Bürgergeld: Die Union verlangt eine komplette Reform (plus Namensänderung). Leistungen sollen massiv gekürzt werden, wenn Bürgergeld-Empfänger nicht arbeiten wollen. Eine Total-Rasur will die SPD nicht mitmachen. Schon jetzt interpretieren beide Seiten das Sondierungsergebnis unterschiedlich: Die Union betont, dass die Jobvermittlung ab jetzt wieder Vorrang vor Schulungsmaßnahmen habe. Die SPD hingegen sagt, das gelte nur für die 200.000 arbeitsfähigen Stützte-Empfänger ohne Vermittlungshindernis (schlechte Sprachkenntnisse, keine Ausbildung). Die anderen sollen lieber weitergebildet werden.
► Wehrpflicht: Die Union möchte unbedingt das Comeback der Wehrpflicht. Die SPD, auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (64, SPD), spricht sich dagegen aus. Er will die Zahl der Soldaten nur mit einem freiwilligen Wehrdienst steigern. Einziger Pflichtteil: Junge Männer werden von der Bundeswehr angeschrieben, müssen sagen, ob sie zum Dienst in der Truppe bereit sind.
► Bahn: Um den maroden Staatskonzern zu sanieren, will die CDU/CSU das Unternehmen in zwei Bereiche aufteilen – das Netz (speziell die Schienen) und der Betrieb (Zugverkehr) sollen getrennt werden, weil kein Vertrauen ins Bahn-Management mehr herrscht. Die SPD hält nichts von der Idee.