Lange Zeit galt es als Verschwörungstheorie, doch nun kommt raus: Selbst der Bundesnachrichtendienst (BND) hält es für sehr wahrscheinlich, dass ein Labor-Unfall in China die Corona-Pandemie ausgelöst hat.

Darüber berichtet das Recherche-Team von „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) und „Die Zeit“. Der deutsche Geheimdienst traf diese Einschätzung bereits 2020, als Angela Merkel (70, CDU) Bundeskanzlerin war.

▶︎ Grundlage für die Einschätzung waren neben öffentlich zugänglichen Daten auch Erkenntnisse aus der Operation „Saaremaa“, durch die der BND sich geheime Informationen aus chinesischen Forschungseinrichtungen beschafft hat, darunter auch aus dem Institut für Virologie in Wuhan.

Dadurch erlangte der Geheimdienst Kenntnis von sogenannten Gain-of-Function-Experimenten und Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften.

Gain-of-Function-Experimente (GoF) sind ein Teil der biomedizinischen Forschung, bei dem unter anderem Krankheitserreger neue Eigenschaften erhalten. Diese Forschungen verfolgen das Ziel, die Vorgänge von Infektion und Übertragung besser zu verstehen, um wirksame Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln.

Kanzleramt hatte Untersuchung veranlasst

▶︎ Wie das Recherche-Team nun öffentlich macht, wurde die Untersuchung seinerzeit durch das Kanzleramt veranlasst. Es habe dann aber entschieden, die Erkenntnisse des Geheimdienstes unter Verschluss zu halten. Dabei hatte der BND die Labor-These mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent bewertet.

Angela Merkel wollte sich nicht äußern, ob sie von dem Vorgang Kenntnis erhalten hatte. Auch ihr Kanzleramtsminister Helge Braun (52, CDU) und der für Nachrichtendienste zuständige Staatssekretär, Johannes Geismann (65), wollten nichts sagen.

▶︎ Nach dem Regierungswechsel habe BND-Chef Bruno Kahl (62) umgehend die Regierung von Nachfolger Olaf Scholz (66, SPD) informiert. Doch auch damals wurden weder das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages noch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterrichtet.

Scholz-Regierung beauftragte Experten mit Prüfung

Ende 2024 habe die Bundesregierung aber immerhin ein Experten-Gremium mit der Überprüfung der BND-Erkenntnisse beauftragt. Dem Gremium gehören unter anderem Lars Schaade (58), Präsident des Robert-Koch-Instituts, und Virologe Christian Drosten (52) an.

Ein Regierungssprecher, den das Recherche-Team mit seinen Erkenntnissen konfrontierte, soll geantwortet haben, dass man sich zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen generell nicht öffentlich äußere.

Im Herbst 2024 informierte der BND angeblich auch die Kollegen der amerikanischen CIA. Diese erklärten im Januar überraschend, man gehe inzwischen mit „geringer Überzeugung“ von einem Labor-Unfall aus.