Das ging ja schnell … Keine zwei Tage, nachdem sich Union und SPD auf ein Sondierungspapier geeinigt haben, bricht heftiger Streit zwischen den künftigen Koalitionären aus.
Kern der Unstimmigkeiten: Wie sind die Beschlüsse zur Migration genau auszulegen? Zoff gibt es vor allem um die Frage der Zurückweisungen an deutschen Grenzen.
▶︎ Im Sondierungspapier heißt es dazu: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.“
Knackpunkt der Formulierung: Was genau bedeutet „in Abstimmung“ mit den Nachbarstaaten?
Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte BILD, „die Sicherheit unseres Landes steht für uns an erster Stelle.“ Noch deutlicher wurde Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (44): „Wir machen uns nicht abhängig von der Zustimmung der anderen Länder“, so Spahn zu „Table Media“.
Heißt: Die Union will im Streitfall auch ohne Zustimmung der Nachbarstaaten zurückweisen.
SPD: „Keine Alleingänge“
Ganz anders sieht das die SPD. Sie beharrt darauf: „in Abstimmung“ bedeute „im Einvernehmen“. Heißt: Österreich, Polen und Co. müssen zustimmen, bevor Deutschland Asyl-Bewerber und illegale Migranten an der Grenze zurückweist. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese (41) stellt in BILD klar, es gebe da „wenig Interpretationsspielraum“. Zurückweisungen könnten „nur funktionieren, wenn unsere Nachbarn die Menschen auch wieder zurücknehmen“.
▶︎ „Nationale Alleingänge sind der falsche Weg und werden auch nicht funktionieren“, so Wiese weiter. Das sei „selbstverständlich“ und europarechtlich geboten. Auch SPD-Co-Chefin Saskia Esken („brandgefährlich“) und Saarland-Chefin Anke Rehlinger („keine faktischen Grenzschließungen“) lehnen den Merz-Plan ab.
Wie geht es jetzt weiter?
Fest steht: Was die Union als vollen Verhandlungserfolg für sich verbucht, ist längst nicht in trockenen Tüchern. In den Koalitionsverhandlungen dürfte es zum Top-Thema werden.
Und was, wenn die bisherige Formulierung nicht weiter konkretisiert wird, bis die Regierung ihre Arbeit aufnimmt? Dann kommt es entscheidend darauf an, welche Partei das Innenministerium bekommt.
Migrations-Experte Prof. Daniel Thym (52, Uni Konstanz) zu BILD: „Bliebe es bei der bisherigen Vereinbarung, dann entscheidet der Innenminister oder der Bundeskanzler im Wege seiner Richtlinienkompetenz, wie genau die Formulierung ‚in Abstimmung‘ auszulegen ist.“