Altkanzlerin Angela Merkel hat Europa angesichts aktueller politischer Herausforderungen zum Zusammenhalt aufgefordert.
„Es geht wirklich um Deutschland und Europa in diesen Tagen“, sagte die CDU-Politikerin im Gespräch mit dem Chefredakteur der Rheinischen Post, Moritz Döbler, in Düsseldorf.
▶︎ Klartext spricht die Kanzlerin a.D. über die aktuelle außenpolitische Gemengelage: Jeder in Europa spüre, dass man – wenn man nicht zusammenhalte – „pulverisiert“ werde. Daher halte sie die von Union und SPD geplanten Erhöhungen der Verteidigungsausgaben für richtig.
„Das gibt deutlich mehr Flexibilität“
„Wir werden mit zwei Prozent des Bruttosozialprodukts nicht auskommen.“ Die geplante Reform der Schuldenbremse begrüßt sie ausdrücklich und schlägt sich auf den Merz-Klingbeil-Kurs. „Das gibt deutlich mehr Flexibilität.“
▶︎ Zum Thema Migration blieb Merkel dagegen zurückhaltend: „Das bleibt eine europäische Aufgabe, die nur in Absprache mit den Nachbarländern angegangen werden kann.“ Und weiter: Die Herausforderung liege vor allem in den Herkunftsländern. Dort müssten Armut und Rückständigkeit bekämpft werden.
„Das muss man im Zusammenhang sehen“, bekräftigt die CDU-Politikerin, die wenig Sympathie für Zuwanderungsquoten zeigt, wie sie derzeit in ihrer Partei diskutiert werden.
▶︎ Merkel äußerte sich auch zum Ausgang der Bundestagswahl vom 23. Februar. „Ich freue mich natürlich, dass meine Partei gewonnen hat.“ Sie sagte aber auch: „Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass die AfD nicht so stark ist, wie sie ist.“
„Das muss jeden besorgen“
Die politische Mitte sei geschwächt worden, „das muss jeden besorgen und mich besorgt das auch“, sagte die ehemalige Bundeskanzlerin. Auch deswegen drücke sie die Daumen für die aktuellen Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung.
Denn die Ampel-Regierung habe in den vergangenen Jahren durch die Außendarstellung für viel Verdruss in der Bevölkerung gesorgt.
▶︎ Merkel sprach auch über US-Präsident Donald Trump. Sie glaube, für ihn sei die Art und Weise, mit der Russlands Präsident Wladimir Putin als Einzelperson durchregieren könne, durchaus verlockend. Merkel erinnert sich, dass er ihr einmal die Hand verweigerte. Warum? „Er will Gesprächsstoff darüber erzeugen, warum er das getan hat.“ Diese Kunst, sich in den Mittelpunkt zu rücken, beherrsche er wie kaum ein anderer.
„Die Ukraine muss souverän bleiben“
▶︎ Und Putin? „Er hat ein souveränes Land, die Ukraine, überfallen.“ Damit habe der russische Präsident nicht nur das Völkerrecht verletzt, sondern auch die europäische Nachkriegsordnung gebrochen und zerbrochen. Merkel wirbt dennoch vehement für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts. „Das Militärische allein wird nicht reichen“, meint sie.
Sie wünsche sich, dass Europa und möglichst auch die USA alles versuchten, dass die Ukraine eine Zukunft als eigenständiger Staat habe: „Die Ukraine muss souverän bleiben.“
Merkel war von 2005 bis 2021 die erste Bundeskanzlerin der deutschen Geschichte. Im Dezember 2021 wurde sie von Olaf Scholz (SPD) abgelöst.