Es ist ein historisches Schuldenpaket, das jetzt für Deutschland kommen soll. Union und SPD sind sich einig: Ihre angestrebte Bundesregierung soll so viele Schulden aufnehmen wie keine zuvor.

▶︎ BILD beantwortet die wichtigsten Fragen zum Riesen-Schuldenpaket.

Um wie viele Schulden geht es?

Geplant sind 500 Milliarden Euro Sonderschulden in den kommenden Jahren für marode Straßen, Brücken, Schienen, Schulen und Krankenhäuser. Darauf kommen die Schulden für die Verteidigung. Die Nato schreibt vor, dass mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) in die Verteidigung fließen sollen. CDU/CSU und SPD einigten sich darauf, einen Prozent davon über den regulären Haushalt zu bezahlen – alles, was darüber hinausgeht, will die Bundesregierung auf Pump finanzieren.

Ein Prozent des BIP entspricht aktuell 43 Milliarden Euro. Möchte die Regierung das Nato-Ziel erfüllen, wären jährlich 43 Milliarden Euro zusätzliche Schulden notwendig. Bei 3 Prozent wären es 86 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr. Bedeutet zusammen mit den Infrastruktur-Schulden auf zehn Jahre: knapp eine Billion Euro.

Wofür werden die Schulden verwendet?

Für Infrastruktur und Verteidigung. Im Ergebnis-Papier der Unions- und SPD-Verhandlern explizit genannt: Geld für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhäuser, Energieinfrastruktur, für Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur sowie Forschung, Entwicklung und Digitalisierung.

Insbesondere die Aufrüstung findet auch große Zustimmung bei der Bevölkerung. Nach einer Befragung des ZDF befürworten rund drei Viertel der Befragten (76 Prozent) und Mehrheiten in allen Parteianhängergruppen eine Aufstockung der finanziellen Mittel für Bundeswehr und Verteidigung – auch wenn dafür zusätzliche Schulden gemacht werden müssen. Nur 22 Prozent sind gegen mehr Geld für die Bundeswehr.

Wenn es beim Schuldenmachen nicht nur um Geld für die Bundeswehr, sondern auch für die Infrastruktur geht, sieht es etwas anders aus. Laut einer INSA-Umfrage für BILD finden das 40 Prozent (eher) gut, 37 Prozent (eher) schlecht.

Woher kommt das Geld?

Von Anlegern an der Börse. Die Bundesregierung bietet dort massenweise Staatsanleihen an, die Anleger kaufen können und darauf Zinsen bekommen. Deutschland gilt als verlässlicher Schuldner, weshalb die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen hoch sein dürfte.

Muss Deutschland die Schulden jemals zurückzahlen?

Prof. Friedrich Heinemann (ZEW) zu BILD: „Der Staat muss Schulden nicht zurückzahlen, da hat er es besser als Privatpersonen. Er zahlt Anlegern Zinsen und am Ende der Laufzeit ihres Anleihens das Geld zurück – das kann der Staat wiederum über Schulden finanzieren.“ Aber: Die Zinsen dafür zahlen am Ende die deutschen Steuerzahler. Aktuell sind es 40 Milliarden Euro pro Jahr.

Ist Deutschland jetzt überschuldet?

Die Schuldenquote (Verhältnis zwischen Wirtschaftsleistung und Gesamtverschuldung) liegt aktuell bei 62,7 Prozent – durch das Schuldenpaket dürfte sie kräftig steigen. Der Wirtschaftsexperte Prof. Volker Wieland (59) von der Uni Frankfurt rechnet in BILD mit einem Anstieg von mindestens 20 Prozentpunkten – dann läge die Schuldenquote bei mehr als 80 Prozent. Bisheriger Höchstwert: 81 Prozent im Jahr 2010. Im Vergleich ist die Schuldenquote bei vielen Staaten höher: Frankreich (110 Prozent), USA (127 Prozent), Japan (250 Prozent).

Wie reagiert die Börse auf das Schuldenpaket?

Die Aktienwerte für Bau- und Rüstungsfirmen schießen nach oben. ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski (53) zu BILD: „Seit Tagen läuft es an der Börse für Banken, BASF, Heidelberg Materials, Bayer, Siemens und die Rüstungsunternehmen.“ Bereits seit Jahresbeginn legen Rheinmetall-, Hensoldt- und Renk-Aktien – allesamt Rüstungsunternehmen – kräftig zu.

Was habe ich davon?

Greifen die Investitionen in die Infrastruktur, „kommt die Bahn pünktlicher und es gibt weniger Staus. Die Bürger würden sich stundenlanges Warten ersparen, die Wirtschaft wäre effizienter“, so Experte Brzeski. Doch: „Es könnte sein, dass die Bauzinsen durch das Schuldenpaket um 0,5 Prozentpunkte mehr ansteigen als sie es ohne den Schulden-Plan getan hätten.“ Heißt: Bauen könnte teurer werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Inflation steigt. Ursache: „Die Preise im Bau und in Rüstungsunternehmen könnten steigen, durch den Fachkräftemangel könnten dort auch die Löhne steigen“, meint Carsten Brzeski.

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick (hatte mit anderen Ökonomen das Schuldenpaket vorgeschlagen) betonte in den ARD-„Tagesthemen“: „Die Schuldenbremse ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck“ – der Zweck sei Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa. Entscheidend sei, das Geld auch sinnvoll einzusetzen – zum Beispiel in neue Technologie zu investieren.

Michael Hüther (62), Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, warnt in BILD: „Auf keinen Fall dürfen Union und SPD der Versuchung unterliegen, die Mittel für soziale Wohltaten umzuwidmen. Besonders fatal wäre ein Missbrauch als Rentengeschenk.“

Wer bekommt die Milliarden?

Ökonom Carsten Brzeski: „Am meisten profitieren Bauunternehmen, die Bahn, die Autobahngesellschaft und Rüstungsunternehmen.“ Sie können dank der Staats-Milliarden mit vollen Auftragsbüchern rechnen.

Rüstet die Bundeswehr mit mehr Geld auch schneller auf?

Das scheint tatsächlich unklar! Nach Recherchen von „Politico“ (gehört wie BILD zu Axel Springer) hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius schon im vergangenen Jahr rund 4,6 Milliarden Euro weniger ausgegeben als möglich und geplant. Grund für die nicht getätigten Ausgaben seien „größtenteils industrieseitige Verzögerungen“, hieß es dazu im Verteidigungsministerium. Heißt: Die Rüstungskonzerne konnten z.B. Munition und Fahrzeuge gar nicht so schnell liefern, wie von der Bundeswehrführung erhofft. Allerdings könnten die Hersteller Produktionskapazitäten erweitern, wenn sie wissen, dass mehr Geld zur Verfügung steht. Aber auch das dauert.

Ist das überhaupt verfassungsgemäß?

Union und SPD wollen die für das Schuldenpaket notwendigen Verfassungsänderungen (Schuldenbremse) noch mit den alten Mehrheiten im Bundestag beschließen. Dafür setzen sie auf Grüne und FDP. Im neuen Bundestag könnten AfD und Linke das Schuldenpaket mit ihren Stimmen verhindern. Ist das Vorgehen der Union und SPD erlaubt?

Verfassungsrechtler Prof. Marcel Kau (54, Uni Konstanz) zu BILD: „Ob man es politisch gut findet, dass Abstimmungen gezielt dem alten Bundestag überlassen bleiben, weil man etwa die Verfassung ändern möchte, liegt im Auge des Betrachters. Verfassungsrechtlich ist es unbedenklich, und auch früher wurden Beschlüsse so herbeigeführt.“

Wie geht es weiter?

Union und SPD müssen sich beeilen. Die Gesetzesänderung muss vor dem 25. März stehen, vor der erste Sitzung des neuen Bundestags also. Am Montag soll das Schuldenpaket im Bundestag eingebracht werden. Am 13. März soll der Gesetzesplan im Bundestagsplenum beraten und am 18. März beschlossen werden. Für den 21. März ist die abschließende Bundesratssitzung geplant.