Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler will sein Geschäft nach der Übernahme des Unternehmens Vitesco auf eine breitere Basis stellen. Als mögliche Kunden für die Zukunft nannte Vorstandschef Klaus Rosenfeld unter anderem die Rüstungsindustrie und Hersteller von humanoiden Robotern.
Für beide Bereiche hat Schaeffler Komponenten im Sortiment, die sich nach Einschätzung von Rosenfeld dort sinnvoll einsetzen ließen. „Wir bedienen mehr als nur die Automobilindustrie“, betonte der Manager bei der Vorstellung der Bilanz für 2024 am Sitz des Unternehmens in Herzogenaurach.
Tatsächlich verschiebt sich der Schwerpunkt des Konzerns durch den Vitesco-Kauf aber mehr in Richtung Autoindustrie. Der übernommene Zulieferer aus Regensburg war eine Abspaltung des Dax-Konzerns Continental und enthält dessen gesamtes früheres Antriebs-Geschäft. Zusammen mit Vitesco liefert Schaeffler nun von kleinen Teilen für Verbrennungsmotoren bis hin zur kompletten elektrischen Antriebsachse alle Varianten des Auto-Antriebs.
Die Industriesparte des Konzerns, die etwa komplexe Lager für Produktionsanlagen oder riesige Komponenten für Windturbinen liefert, macht bisher rund ein Drittel des Umsatzes aus. Ab diesem Jahr bildet sie in der neuen Struktur des Konzerns eine von vier Sparten: Daneben stehen Elektromobilität, Antriebe und Chassis und das Geschäft mit Ersatzteilen.
Kunden aus dem Rüstungsbereich spielen für Schaeffler bisher keine große Rolle. Der Umsatzanteil liege unter einem Prozent, sagte Rosenfeld. Man liefere unter anderem Lagerkomponenten für Helikopter in den USA.
Jetzt kämen zunehmend Anfragen von großen Unternehmen, sagte Rosenfeld. „Wir sind dabei, uns das anzugucken.“ Das Geschäft sei speziell und man müsse bestimmte regulatorische Anforderungen erfüllen. Bei Vitesco gebe es auch Erfahrungen mit der Branche aus der Vergangenheit. „Das kann ein interessantes Wachstumsfeld sein.“
Komponenten in humanoiden Robotern
Wohl um zu demonstrieren, was sein Unternehmen technologisch kann, erwähnte Rosenfeld den möglichen Einsatz von Schaeffler-Komponenten in humanoiden Robotern. Dabei geht es vor allem um die „Gelenke“: Der Konzern produziert schon heute komplexe feinmechanische Bauteile, die Sensoren, Elektromotoren und die entsprechenden Lager enthalten. Diese Elemente ließen sich auch in Robotern einsetzen.
Solche Zukunftsaussichten können über die aktuell schwache Entwicklung des Geschäfts allerdings nicht hinwegtäuschen. An der Börse straften Anleger die Schaeffler-Aktie ab; am frühen Nachmittag lag sie mehr als zwei Prozent im Minus. Das dürfte vor allem am verhaltenen Ausblick liegen.
Nach dem „Übergangsjahr“ 2024 kündigte Rosenfeld für 2025 ein weiteres „Übergangsjahr“ an. Die Gewinnmarge des Konzerns soll weiterhin deutlich unter dem Wert von 2023 liegen. Nach der aktuellen Prognose wäre sogar ein gegenüber 2024 noch geringerer operativer Gewinn möglich.
Schon im abgelaufenen Jahr waren Umsatz und Gewinn im Industriegeschäft und der Autozuliefer-Sparte deutlich gesunken. Unter dem Strich hat Schaeffler einen Verlust von 632 Millionen Euro geschrieben. Darin enthalten sind fast eine halbe Milliarde Euro an Rückstellungen für das laufende „Ergebnisverbesserungsprogramm“: Über Abfindungen sollen Tausende Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und so 4700 Stellen wegfallen. „Wir haben das Jahr 2024 genutzt, um die Bilanz aufzuräumen“, sagte Rosenfeld.
Dennoch ist die Vorhersage erschreckend. Insbesondere für die Sparte Elektromobilität, die nach Umsatz gut ein Fünftel des Unternehmens ausmachen wird. Sie soll laut Schaeffler in diesem Jahr eine Gewinnmarge von minus 17 bis minus 14 Prozent erreichen. Für den Verbrennerbereich erwartet das Unternehmen zugleich 10 bis 12 Prozent Gewinn.
Rosenfeld und Finanzvorstand Klaus Bauer begründeten die hohen Verluste in der Elektromobilität mit den Investitionen für die Produktentwicklung und den Anlaufkosten der Produktion. Eine Vorhersage, wann E-Sparte in die Gewinnzone kommt, wollten die Manager nicht abgeben. Rosenfeld betonte aber, dass aus seiner Sicht „E-Mobilität die Zukunft ist“, auch wenn die Entwicklung am Markt „nicht einfach am Lineal abzulesen“ sei.
Schaeffler hält an Nachhaltigkeitszielen fest
Auch an den Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens hält der Vorstand fest. Zum ersten Mal hat Schaeffler einen integrierten Geschäftsbericht nach den EU-Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorgelegt. Die Richtlinie, die Deutschland nicht in nationales Recht umgesetzt hat, ist in der Wirtschaft umstritten und gilt Kritikern als Bürokratie-Monster.
Rosenfeld spricht sich auch für Vereinfachungen aus, begrüßt das Werk aber grundsätzlich: „Natürlich ist der Sinn dieser Regulierung unbestritten richtig“, sagte er. Es sei positiv, dass die nicht finanzielle Berichterstattung plötzlich eine ganz andere Qualität erhalte.
„Wir wollen vergleichbar zeigen, was die Schaeffler-Gruppe dieser Seite leistet: Was ist unser Beitrag, um CO₂ zu reduzieren? Was tun wir in den anderen Kategorien der Nachhaltigkeit?“ Dafür gibt es in dem neuen Bericht klar definierte Kennziffern.
Künftig werden auch die einzelnen Bereiche der bisherigen Vitesco voll in diesen Bericht einfließen, sobald sie in den Schaeffler-Konzern integriert sind. Aus Sicht der Eigentümer-Familie Schaeffler steht nach dieser Fusion zweier Unternehmen aus ihrem Einflussbereich in diesem Jahr ein weiterer großer Schritt an: die Aufspaltung von Continental.
Aus dem Konzern, an dem die Familie 46 Prozent hält, soll in diesem Jahr die Autozuliefersparte als eigene Gesellschaft ausgegliedert werden. Sie dürfte nach Umsatz künftig wohl etwas kleiner sein als der Schaeffler-Konzern.
Zurück bleibt der traditionelle Reifenhersteller Conti. Bei der Präsentation der Ergebnisse für 2024 am Tag vor Schaeffler sprach Conti-Vorstandschef Nikolai Setzer bereits außergewöhnlich ausführlich über die Reifensparte. Die Aussichten im Auto-Geschäft sind auch bei Conti verhalten. Immerhin hat es die Sparte aber aus der Verlustzone geschafft.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie.