Spritpreise schwanken immer stärker – Kartellamt nimmt Tankstellenmarkt ins Visier

Morgens um kurz nach sechs Uhr an einer Shell-Tankstelle in Hamburg: Eine Autofahrerin tankt ihren Kombi mit Superbenzin auf, geht in den Tankstellenshop und zahlt rund 110 Euro für den Tankzettel.

„Da haben Sie aber Glück gehabt, denn gerade in dieser Minute haben wir die Benzinpreise erhöht“, sagt die Kassiererin. Um elf Cent liegt der Preis für die Super-Sorte E5 jetzt höher. Die Kundin hat durch den Zeitvorteil rund sieben Euro gespart.

Doch kann sich die Autofahrerin sicher sein, dass es an einem anderen frühen Morgen zur gleichen Zeit wieder so gut funktioniert und sie einen günstigen Moment zum Tanken erwischt? Eine Garantie dafür gibt es nicht, denn die Ölkonzerne ändern ihre Tankstellenpreise im Tagesverlauf immer häufiger. Mit der Folge: Die Orientierung fällt vielen Tankkunden schwer, selbst wenn sie die bekannten Handy-Apps zu Preisvergleichen nutzen.

Genau diesen Umstand moniert nun das Bundeskartellamt und macht konkrete Vorschläge für Verbesserungen. Die Bonner Behörde hat im Rahmen ihrer groß angelegten Untersuchung „Mineralölwirtschaft, Schwerpunkt Raffinerien und Großhandel“ auch einen Seitenblick auf den Tankstellenmarkt geworfen. Dabei ging es um die Frage, welchen Effekt die immer häufiger werdenden Preisänderungen an Tankstellen auf das Verhalten der Kunden haben.

Tatsächlich nimmt diese Zahl stetig zu: Gab es im Jahr 2014 täglich vier bis fünf Preisänderungen, so hat sich dies bis Anfang 2024 auf durchschnittlich 18 Änderungen am Tag deutlich erhöht.

Aus Sicht der Kunden ist das Preisniveau im Tagesverlauf enorm schwankend. Als Reaktion darauf hat das Kartellamt Absatzdaten einzelner Tankstellen ermittelt und geprüft, ob es den Tankkunden aktuell weniger häufig als früher gelingt, zu den günstigsten Tageszeiten, also in Zeiten sogenannter Preistäler, aufzutanken.

Intransparenz durch Preisänderungen an Tankstellen

Dabei kommt das Kartellamt zu diesem Ergebnis: „Im Vergleich zu einer Studie aus dem Jahr 2015 ergaben sich Hinweise, dass möglicherweise weniger Verbraucherinnen und Verbraucher in Preistälern tankten, als dies vor knapp zehn Jahren der Fall war.“

Es sei möglich, dass es den Tankkunden erschwert werde, trotz gleichbleibender Preissensitivität jene Preistäler auszunutzen. „Jedenfalls kann auf Grundlage der Ermittlungen festgestellt werden, dass die immer häufiger werdenden Preisänderungen zu einer zunehmenden Preisintransparenz führen“, schreibt das Kartellamt.

Bei dieser Feststellung will es das Kartellamt nicht belassen. Vielmehr sollen „mögliche Auswirkungen der hohen Preisvolatilität durch weitere Untersuchungen“ geprüft werden. Je nach dem Ergebnis daraus, sollen „gegebenenfalls weitere Handlungsschritte erwogen werden – eventuell auch regulatorischer Natur“, schreibt das Kartellamt.

Das bedeutet: Um den Wettbewerb auf dem deutschen Tankstellenmarkt zu verbessern, könnte das Kartellamt vom Gesetzgeber konkrete Eingriffe in das Preis-Gebaren der Tankstellenketten fordern.

Österreich erlaubt Tankpreiserhöhung nur ein Mal am Tag

Wie diese Eingriffe aussehen könnten, lässt sich im Nachbarland Österreich bereits anschauen. In der Alpenrepublik legt die sogenannte „Spritpreisverordnung“ fest, dass eine Preiserhöhung an österreichischen Tankstellen nur einmal täglich um zwölf Uhr mittags zulässig ist. Preissenkungen dürfen die Tankstellen dagegen jederzeit vornehmen.

Dazu passt, dass auf der Handy-App „Spritpreisrechner“ nur jeweils die günstigsten Tankstellenpreise in einer Region angezeigt werden. Auch das hilft bei der Auswahl zum Auftanken.

Mit dem Ergebnis: Tanken ist in Österreich günstiger als in Deutschland. Je Liter Superbenzin oder Diesel kann der Preisunterschied bis zu 20 Cent je Liter ausmachen.

Noch eindeutiger ist die Situation in Luxemburg. In dem Nachbarland legt der Staat die Tankstellenpreise fest, und zwar täglich und nach einer Formel, die etwa den Kurs des Dollars zum Euro, die Preisentwicklung auf dem Rohölmarkt sowie Transport- und Lagerungskosten und Steuern berücksichtigt.

Luxemburger Tankstellen dürfen danach ihre Kraftstoffpreise zwar senken, sie dürfen den staatlich festgesetzten Spritpreis jedoch nicht überschreiten. Übrigens ist das Auftanken auch in Luxemburg oftmals günstiger als in Deutschland. Die Preisunterschiede liegen dann bei etwa 20 Cent je Liter.

Auch in Australien gibt es ein Beispiel für einen staatlichen Eingriff in den Tankstellenmarkt. In einigen Teilen des Landes dürfen Tankstellen nur einmal täglich um sechs Uhr morgens die Preise ändern und müssen sie dann für 24 Stunden beibehalten – nach einer dort verfügten „24-Hour-Rule“. Ob all diese Modelle wirken und ob sie das Tanken tatsächlich günstiger machen, dazu gibt es laut dem Kartellamt bislang keine eindeutige, mit Studien belegte Aussage.

Kartellamt bemängelt Großhandelspreise

Zugleich sieht das Kartellamt auch bei den Großhandelspreisen für Benzin, Diesel und Heizöl Handlungsbedarf und bemängelt das Zustandekommen sogenannter Preisnotierungen. Diese Notierungen werden von internationalen Informationsdiensten wie S&P Global Commodity Insights, in der Branche bekannt als „Platts“, oder Argus Media ermittelt und bekannt gegeben. Sie sind für den Handel mit Ölprodukten maßgeblich.

Das Kartellamt bemängelt, dass diese Art der Marktpreisbestimmung „bei der derzeitigen Ausgestaltung erhebliche wettbewerbliche Risiken“ habe. Daher empfiehlt die Behörde dem Gesetzgeber „eine stärkere gesetzliche Regulierung von Preisnotierungen im Mineralölbereich“.

Es gelte zu prüfen, ob diese Notierungen strengeren gesetzlichen Anforderungen unterstellt werden sollten. Ziel dabei müsse es sein, die Notierungen besser vor Manipulation zu schützen. Die eigenen Ermittlungen des Kartellamts hätten „Anreize und Möglichkeiten zur wettbewerbswidrigen Beeinflussung einzelner Preisnotierungen“ aufgedeckt.

Zudem prüfen die Bonner Wettbewerbshüter, selbst aktiv zu werden. „Die Untersuchungen haben erneut gezeigt, dass die Bedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb im Mineralölbereich in Deutschland schwierig sind“, sagte Kartellamtschef Andreas Mundt. Konkrete Schritte, wie die Behörde dagegen vorgehen könnte, werden in der Untersuchung allerdings nicht genannt.

Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet über Schifffahrt, Logistik, den Tankstellen- und Kaffeemarkt sowie Mittelstandsunternehmen.