„Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ Dieser Satz im Matthäus-Evangelium (Mt 19,29-30) soll den Schwachen Hoffnung geben. Bei der Bundestagswahl beschreibt er die absurde Lage, dass Gewinner verlieren können. Laut WELT sind 45 Wahlkreise betroffen, 31 davon sind CDU-Kandidaten.

Das neue Wahlrecht schreibt vor: Jede Partei bekommt nur so viele Mandate, wie ihrem Prozent-Ergebnis entsprechen. Erringt sie mehr Direktmandate, werden die überzähligen gestrichen. Das kann bedeuten: Sieger in einem Wahlkreis kommen nicht ins Parlament. Die unterlegenen, die über Partei-Listen einziehen, dagegen schon.

In Frankfurt: Leopold Born (31) kämpft gegen Omid Nouripour (49). Der hessische JU-Chef will dem Ex-Grünen-Chef den Wahlkreis wegschnappen. Ein schwerer, harter Kampf, denn der Wahlkreis ist tiefgrün. Oder war es. 2021 holte Nouripour hier 25,2 Prozent, die CDU lag auf Platz 3 mit 18,2 Prozent. 2025 sieht das anders aus: Kopf-an-Kopf-Rennen. Born zu BILD: „Nouripour steht für die Ampel-Politik. Ich bin fest überzeugt, dass in diesem Wahlkreis die verkorkste Ampel-Politik keine Mehrheit bekommt.“

Doch sollte Born gewinnen, zieht möglicherweise trotzdem Nouripour in den Bundestag ein. Born: „Wenn der gewählte Direktkandidat nicht einzieht, schwächt das die Stimme unserer Stadt in Berlin und das Vertrauen der Menschen in die Demokratie.“

Und Born ist nicht allein:

In Augsburg stehen sich Volker Ullrich (49, CSU) und Claudia Roth (69, Grüne) gegenüber. Bis jetzt hat immer Ullrich gewonnen. 2021 mit 9000 Stimmen Vorsprung. Aber: Er erreichte nur 28 Prozent. Damit lag er am Ende der CSU-Skala. Sein Direktmandat wäre gefährdet. Roth dagegen steht auf Platz 3 der grünen Bayern-Liste. Bundestag ist praktisch garantiert für sie.

„Der Sieger wäre nicht im Bundestag. Das ist absurd“, schimpft Ullrich. „In 75 Jahren Bundesrepublik war die Berechnung von Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten immer kompliziert. Aber eins war sicher: Der Sieger kommt ins Parlament.“

Im Wahlkreis München-West stehen sich Stephan Pilsinger (37, CSU) und Dieter Janecek (48, Grüne) gegenüber. 2021 gewann Pilsinger hauchdünn mit 137 Stimmen Vorsprung. Wiederholt er den Sieg, könnte er sein Mandat trotzdem verlieren. Noch absurder: Sein Gegner Janecek bekam keinen Platz auf der grünen Landesliste, wäre auch raus aus dem Bundestag.

Das bringt sogar den Grünen, der das neue Wahlrecht mitbeschlossen hat, zum Nachdenken: „Der Wahlkreis hätte keinen Abgeordneten im Bundestag“, sagt Janecek.