Sachsen-Regent Michael Kretschmer (49) im BILD-Wahltotal-Wahllokal: Der CDU-Politiker, der in Dresden mit seiner Minderheitsregierung auch auf Stimmen der AfD angewiesen ist, holt im Interview aus zum Rundumschlag – gegen Grüne, die „Berliner Blase“ und die neue US-Regierung.

BILD: Der Druck aus Washington, dass in Europa mit Rechtsaußenparteien regiert werden soll, steigt. US-Vizepräsident JD Vance kritisiert sehr stark, dass das nicht in Erwägung gezogen wird. Was kommt da auf Sie zu?

Michael Kretschmer: „Europa muss sich selbstbewusst, emanzipatorisch, stark aufstellen. Das setzt voraus, dass wir uns unterhaken, dass wir unsere eigenen Interessen wahrnehmen und uns von niemandem diktieren lassen, was passiert. Diese Äußerungen des Vizepräsidenten sind ja schon eine Frechheit. Das muss man sich mal vorstellen: Da kommt jemand und sagt, was in einem anderen Land passieren muss. Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn das nicht der amerikanische Vizepräsident wäre, sondern irgendeiner aus dem Osten oder aus dem Südosten. Was hier für eine Aufwallung wäre. Ich finde, wir sollten unser Ding machen.“

Die Amerikaner verlangen jetzt schon, dass wir den Verteidigungshaushalt auf bis zu 5 % des Bruttoinlandsprodukts hochschrauben. Wo kann dieses ganze Geld überhaupt herkommen?

Kretschmer: „Ich teile da die Einschätzung von Friedrich Merz und auch des Bundeskanzlers: Es muss darum gehen, dass in Europa nicht jeder seine eigenen Waffen in seiner eigenen Technik herstellt, sondern dass wir das gemeinsam tun. Und dann werden wir mit 2 % eine viel größere Verteidigungsfähigkeit erreichen, als es derzeit der Fall ist. Das ist der Weg. Aber auch 2 % sind sehr, sehr viel Geld. Es geht nur, wenn Deutschland herauskommt aus der Rezession.“

Schließen Sie auch weiterhin eine Koalition mit den Grünen aus?

Kretschmer: „Ja, wer hat uns diese ganze Misere denn jetzt hier eingebrockt? Ich meine, andauernd hören wir, was alles alternativlos ist. Das ist eine völlige moralische Überhöhung (…) Die Umfragewerte der Populisten haben sich mehr als verdoppelt in den vergangenen drei Jahren. So kann es ja nun wirklich nicht weitergehen.“

BILD: Der Anschlag von München beschäftigt das Land. Welche Konsequenzen muss es geben?

Kretschmer: „Es ist doch vollkommen klar: Diese Menschen, die die Hand gegen uns erheben, die verlieren ihren Flüchtlingsanspruch, die müssen abgeschoben werden, und zwar relativ schnell und zügig, nicht erst bei einem so furchtbaren Verbrechen, sondern viel, viel eher. Es ist eine Kaskade von Dingen, die man braucht. Die Erste ist: Es sind zu viele Menschen im Land. Wir können uns nicht ausreichend darum kümmern, dass diejenigen, die da sind, wirklich überprüft werden. Deswegen: Die Zahl muss runter. Nicht 200.000, nicht 300.000, sondern vielleicht 30.000 pro Jahr. Das muss das Zielbild für die kommenden Jahre sein. Zweitens: Wenn wir uns einig sind, dass man nicht straffällig werden darf, dass auch kleinere Straftaten nicht möglich sind, dann werden wir die Gesetze ändern müssen. Und: Wir werden dafür sorgen müssen, dass wir unseren Sicherheitsbehörden (…) Instrumente in die Hand geben. Dazu muss man Gesetze ändern, und dafür treten wir am 23. Februar ein. Und ich glaube, jeder weiß mittlerweile: Friedrich Merz hat eine klare Haltung. Wir werden das nach der Wahl ändern.“

Laut INSA ist aktuell aber nur eine Kenia-Koalition mit Grünen und SPD möglich. Macht Ihnen das Sorgen?

Kretschmer: „Der, der diese Wahl gewinnt, der wird am Ende auch einen großen Teil seines Programms durchsetzen. Und deswegen ist es so wichtig, dass da auch der Abstand groß ist, dass Friedrich Merz eine klare Mehrheit und einen klaren Auftrag bekommt. Ich weiß auch aus vielen Gesprächen mit Kollegen aus der SPD, dass sie sehr unglücklich sind, dass das alles sich so verhakt hat, dass man so im Schwitzkasten ist der Grünen. Das wird sich ändern, das wird sich auflösen. Ich setze da auf die Sozialdemokraten.“

Sind Wähler, die die aktuelle Migrationspolitik ablehnen, überhaupt noch für die Union zu erreichen? Oder sind sie nicht längst alle bei der AfD?

Kretschmer: „Wenn es so wäre, wäre es schlimm. Es ist so: Viele Menschen haben den Glauben an die Demokratie verloren. Sie sehen, wie über Jahre sich nichts bewegt. Schauen Sie, wir haben als Ministerpräsidenten so viele einstimmige Beschlüsse gefasst, die dann von der Bundesregierung ignoriert worden sind. Es ist klar: Der Kampf gegen den Populismus ist nur zu gewinnen, wenn man den Nährboden entzieht. Und ich sage immer: Demokratie verteidigt man am besten dadurch, indem man die Probleme löst, die aus Sicht der Bevölkerung – und nicht der Berliner Blase – am drängendsten sind.“