Kommt es zum Bruch zwischen Selenskyj und Trump?

Seit Jahren gilt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als mutigster Staatschef der Welt, avancierte nach der für unmöglich gehaltenen Verteidigung Kiews gegen die übermächtige russische Armee zum zumindest symbolischen Anführer der freien Welt.

▶︎ Seine Antwort auf das Angebot der Evakuierung aus der Ukraine – „Der Kampf ist hier. Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit“ – ist bis heute legendär.

Aber jetzt scheint sich das Blatt zu wenden.

Der amerikanische Präsident Donald Trump verhandelt nicht mit ihm, sondern mit Wladimir Putin über die Zukunft der Ukraine. Selenskyj wird im Anschluss lediglich über die Ergebnisse informiert.

Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth (44) nannte eine Rückkehr zu den Vorkriegsgrenzen der Ukraine „unrealistisch“ und erklärte: „Dieses illusorische Ziel zu verfolgen, wird den Krieg nur verlängern und mehr Leid verursachen.“

Selenskyj als unmündiger Befehlsempfänger der USA und Verantwortlicher für das weitere Schrumpfen seines Landes?

Eine neue Realität, die der Ukrainer nicht kampflos hinnehmen will.

Am Tag nach der Demütigung durch Trump erklärte er, dass es „wirklich nicht sehr angenehm“ gewesen sei, dass „Putin und Russland Priorität“ bei Trumps ersten diplomatischen Bemühungen gehabt hätten.

Selenskyj forderte, „dass an erster Stelle die Ukraine steht, und dass es ohne die Ukraine nichts über die Ukraine geben kann“. Kämpferisch stellte er klar: „Jegliche bilateralen Verhandlungen über die Ukraine ohne uns werden wir nicht akzeptieren.“

Trump rudert zurück

Am Abend ruderte Trump plötzlich zurück. Die Ukraine werde an Friedensverhandlungen mit Russland beteiligt sein, sagte Trump im Weißen Haus. Kiew werde in die Gespräche einbezogen.

Neue Allianz mit Europa?

Selenskyj wiederholte mit seiner Forderung die Aussagen zahlreicher europäischer Staats- und Regierungschefs, die sich enttäuscht bis erbost über die bereits angekündigten Eingeständnisse Trumps an Putin zeigten – bei denen sie zumal nicht einmal gefragt wurden.

Auch Selenskyj stellte sich am Tag nach dem Trump-Knall an die Seite der Europäer.

„Wo ist Europa?“, fragte er in Bezug auf die angeblich bald beginnenden Verhandlungen zwischen Trump und Putin. Formiert sich eine neue Achse Ukraine-EU jenseits von USA und Russland? Noch unklar.

Klar ist jedoch schon, dass Trumps Erklärung zu einem wahren Unterstützungsrennen der europäischen Partner Selenskyjs geführt hat.

Binnen 24 Stunden kündigten die Europäer und Kanada zahlreiche Militärgüter für die Ukraine an, darunter mehr als 100 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, 6000 Kamikaze-Drohnen und Flugabwehrwaffen sowie Artillerie-Systeme.

Ein starkes Zeichen an Trump, aber auch an Selenskyj, der sich jetzt erneut als fähiger Staatsmann beweisen muss.

Am Donnerstagabend hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz zu der Trump-Ankündigung, mit Putin über die Zukunft der Ukraine zu verhandeln, geäußert. Die Vorschläge würden eine „klare, schnelle und entschlossene Positionierung Europas“ erfordern – „nicht irgendwann, sondern jetzt“. Denn die direkten Gespräche zwischen Trump und Putin seien zwar richtig, so Scholz. Er betonte aber die Bedeutung eines gerechten Friedens. „Ein Frieden muss langfristig halten“, so der Kanzler. „Deshalb wird ein Diktatfrieden niemals unsere Unterstützung finden.“ Diese Position müsse Europa – als wichtigster Unterstützer der Ukraine – in allen Verhandlungen selbstbewusst deutlich machen.