Europas Antwort auf die Zölle? So lässt sich Trump wirklich entwaffnen

Einmal noch wollte der Berliner Regierungschef Olaf Scholz (SPD) sein schnell entschlossenes Handeln („das neue Deutschland-Tempo“) zur Aufführung bringen, dann nämlich, wenn US-Präsident Donald Trump wirklich Zölle gegen europäische Produkte verhängen würde. „Wir sind darauf vorbereitet“, sagte er im TV-Duell mit Friedrich Merz am Sonntag, „wir können in einer Stunde handeln als Europäische Union.“

Es ist die alte Schulhof-Logik: Wer sich nicht wehrt gegen den Raufbold aus der 8c, der lebt verkehrt. Schlägt der andere mich, schlage ich zurück. Die eigenen Schmerzen bekommt der andere heimgezahlt, indem ich ihm ebenfalls Schaden zufüge.

Nach der Ankündigung Trumps vom Montagabend, Zölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Stahl- und Aluminiumimporte zu erheben, weiß man, was kommt. „Robust“ werde man auf neuerliche Zollschranken in den USA reagieren, ließ Scholz-Vize Robert Habeck (Grüne) schon vor Trumps Amtsantritt wissen. Genau wie Brüssel ist man in Berlin auf Krawall gebürstet.

Das Problem ist nur: Ein Handelskrieg ist nur scheinbar mit einer kämpferischen Auseinandersetzung mit Muskel- oder Militärkraft zu vergleichen.

Das fängt damit an, dass Zölle – in Form von höheren Preisen – zumindest in Teilen von jenen Verbrauchern und Unternehmen bezahlt werden, die die importierten Waren erwerben. Und der Zollschutz führt in der Regel eben nicht dazu, dass heimischen Anbieter auf Dauer wettbewerbsfähiger werden, im Gegenteil, der per Abschottung reduzierte Konkurrenzdruck führt letztlich zu weniger Innovation, schlechterer Qualität und noch höheren Preisen.

Die Kunden der amerikanischen Stahl- und Aluminiumindustrie, die bereits in der ersten Trump-Amtszeit mit Zöllen beschützt wurde, können das bezeugen. Bei Autoherstellern, die in den USA produzieren, führten die Zölle zu höheren Kosten, geringeren Löhnen und Gewinnen – und für die Kunden zu höheren Preisen.

Es ist, als würde sich ein Schulhof-Prügler ins eigene Gesicht schlagen. Und auf Zölle mit Gegenzöllen zu reagieren wiederum ist so, als würde man insistieren, sich auch selbst zu ohrfeigen.

Das Freihandels-Plädoyer der Ökonomen

Purer Unfug also. Oder wie es die britische Ökonomin Joan Robinson mal ausgedrückt hat: „Wenn dein Handelspartner Felsbrocken in seinen Hafen wirft, gibt es keinen Grund, Felsbrocken in deinen eigenen zu werfen. Das mag vielleicht fair erscheinen, ist aber in Wirklichkeit nur albern und schädlich für dich selbst.“

Wenn Ökonomen die Welt regierten, schrieb der spätere Nobelpreisträger Paul Krugman bereits vor Jahrzehnten, dann gäbe es so etwas wie Handelsabkommen oder die Welthandelsorganisation gar nicht – weil dann erkannt würde, dass „das Argument für freien Handel im Kern ein unilateraler Fall ist: Ein Land verfolgt seine Interessen am besten, wenn es freien Handel betreibt, egal, was andere Länder tun“.

Ein Vierteljahrhundert später relativieren Krugman und viele Kollegen ihr Freihandels-Plädoyer, immerhin ist in der Zwischenzeit mit China ein Player im Welthandel aufgetaucht, der es sich unverhohlen zum Ziel gesetzt hat, unter Einsatz seiner enormen Ressourcen gezielt nach globaler Dominanz in vermeintlichen Schlüsselindustrien zu streben.

Aber auch ohne das China-Argument kommt die ökonomische Logik selten in der politischen Realität an. In Brüssel, Paris und Berlin stehen die direkt betroffenen Hersteller (in diesem Fall die Stahl- und Aluminiumhersteller) der Politik auf den Füßen, während die indirekt betroffenen Branchen leiser zu vernehmen sind und die Verbraucher im Zweifel gar nicht.

Außerdem, und hier greift das Schulholfdenken wieder: Wie steht man denn da, wenn man sich nicht wehrt? „Wir dürfen uns nicht kleiner machen, als wir sind“, sagte der Noch-Bundeskanzler am Sonntag beim TV-Duell.

Angeblich ist die Pose auch wichtig, weil man nur so von der US-Regierung ernst genommen werde. Das allerdings mag in anderen Fällen gelten – und mag auch in der ersten Trump-Ära gegolten haben. Ob das jetzt noch gilt im transatlantischen Verhältnis, ist dagegen sehr die Frage.

Trumps Zölle sind „strategisch“ zu verstehen

Zölle einzusetzen, wie Warnstreiks zu Tarifverhandlungen, entspricht zwar erfahrungsgemäß durchaus Trumps Geschmack. Aber Trump und seine Berater sehen die Stahl- und Aluminiumzölle und tarifäre Handelshemmnisse gegenüber Europa nach allem, was man weiß, eben nicht als Pfund für anschließende Verhandlungen.

Diese Zölle seien nicht taktisch zu verstehen, sondern „strategisch“: als auf Dauer angelegte Maßnahmen, die dazu dienen, erstens Amerika zu reindustrialisieren, zweitens die defizitäre Handelsbilanz ins Lot zu bringen und drittens zugleich großenteils den Haushalt der Washingtoner Bundesregierung zu finanzieren. „Making America rich again“, wie Trump es am Montag zusammenfasste.

Dass auch nur eines der drei Ziele auf protektionistischem Wege erreicht wird, kann schon vorab als ausgeschlossen gelten. So wie auch die Chance, dass Trump diesen Irrsinn am Ende als solchen erkennt – und anerkennt, nahe Null zu sein.

Dementsprechend sind auch Brüsseler Gegenzölle nicht nur „albern“, wie Joan Robinson meinte: Die Aussicht, dass man mit ihnen etwas anderes erreicht als ein permanent höheres Zollniveau in beide Richtungen des atlantischen Handels, ist gering.

Und gerade deswegen tut sich hier eine Chance auf, aus der gewöhnlichen Polit-Logik herauszukommen – und dem ökonomisch ohnehin Vernünftigen Vorfahrt zu geben.

Warum also nicht ankündigen, gegenüber den USA alle Zölle – die sich im Schnitt ohnehin nur auf wenige Prozent belaufen – fallenzulassen? Trump, der gerade erst angekündigt hat, im Sinne einer Reziprozität die US-Zölle auf das Niveau der Handelspartner anzuheben („very simply, if they charge us, we charge them“), würde damit zugleich eine zentrale Ausrede aus der Hand geschlagen.

Das, und nicht Zölle auf ein paar Zweiräder und Schnäpse, wäre eine Demonstration wahrer Stärke.

Olaf Gersemann berichtet über künstliche Intelligenz, Globalisierung, Staatsverschuldung, Demografie und Digitalisierung.