Bei dieser Nachricht drängt sich die Frage auf, ob der Fenstersturz schon eine anerkannte „Krankheit“ in Putins Reich ist. Die Häufigkeit dieser meist als zufällig, tragisch oder suizidal deklarierten Stürze trägt durchaus leicht epidemische Züge. Der Auslöser der „Krankheit“ ist immer derselbe: Putin-Kritik. Ob nur sachte oder sehr heftige, spielt keine Rolle.
Erwischt hat es dieses Mal den russischen Sänger Wadim Strojkin. Der 59-Jährige lebte im zehnten Stock eines Wohnhauses in St. Petersburg. Laut dem russischen Nachrichten-Medium „Fontanka“ waren Polizeibeamte gerade dabei, seine 30-Quadratmeter-Wohnung zu durchsuchen. Strojkin habe gefragt, ob er ein Glas Wasser trinken dürfe; er soll in die Küche gegangen und aus dem Fenster gestürzt sein. Suizid also, heißt es über den Ablauf seines Todes in der offiziellen Version der Polizei.
Sechs Polizisten und zwei Zeugen rückten an
Die Beamten hatten gegen den Sänger ermittelt, eine „Untersuchung wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Organisation“. Neben Korruption ist dieser Punkt aus dem vielseitigen russischen Strafgesetzbuch ein untrügliches Zeichen für Kritik an Diktator Wladimir Putin. Die sechs Beamten rückten mit zwei Zeugen an und stellten Wadim Strojkin wohl auch Fragen zur Finanzierung der ukrainischen Streitkräfte.
Nach Angaben eines Mitarbeiters der Verwaltungsgesellschaft, der das Gelände des Wohnkomplexes vom Schnee räumte, wurde die Leiche des Musikers im Hof des Gebäudes gefunden.
Das lässt zwei Möglichkeiten zu: Entweder fiel Strojkins Körper genau vor die Schneeschaufel des Hausmeisters oder er fand den Sänger erst später. Da nirgendwo zu lesen ist, dass die Beamten ihren Verdächtigen, gegen den sie ja gründlich ermittelten, auch genauso fieberhaft suchten, scheint es ihnen mindestens egal gewesen zu sein, dass Wadim Strojkin beim Wasser-Trinken aus dem Fenster fiel.