In der Sonne Griechenlands treten sie an: Frauen, deren Gesichter von echten Lebenslinien statt von Botox gezeichnet sind, um einen Mann zu erobern, der in seiner ganzen Erscheinung für die deutsche Boomer-Generation steht, wie sie sich selbst sehen möchte. Solvent, junggeblieben, einfühlsam, interessiert an Außen- und Innenwelten. Angekommen – und doch immer noch auf der Suche.
Der Golden Bachelor. Ein Gesamtschullehrer der Herzen, der sich pädagogisch geschickt durch die Gefühlslandschaften bewegt, als hätte er es mit einer schwierigen Klasse zu tun. Nun, da die erste Staffel des Formats auf RTL+ zu Ende geht, kann man sagen: Franz Stärk (73) hat das großartig gemacht. „Ich sehe jede einzelne von euch!“, sagte er immer wieder, wenigstens mit seinem Blick. Jetzt erfährt man endlich, wem er in -Tradition seine letzte Rose überreichen wird. Aber irgendwie ist es auch egal.
Beim fand keine billige Nachahmung der jungen Show statt, das Format war keine reine Trashbühne für die Instagram-Inszenierung, die eben auch ältere Menschen betreiben. Hier geht es in der letzten Folge noch einmal um Tieferes. Um Liebe vor dem Tod vielleicht, um die Möglichkeit eines allerletzten Glücks – oder jedenfalls um den Versuch, so etwas noch einmal zu spüren. Es ist die Stärke des Formats oder des guten Castings all der Kandidatinnen und des Kandidaten, dass die Show zwar Triggerfelsen wie Sexismus und Altersdiskriminierung streift, aber nie daran zerschellt. Selten gab es zynismusfreiere Dialoge über die Liebe im TV zu sehen. Mancher verkopfte, von zu viel Instagram verstopfte Millennial könnte davon noch etwas lernen.
„Ich will dich spüren“, das sagt er oft
Da ist zum Beispiel Sylvia (62) aus Brandenburg, sie steht im Finale. Eine Kandidatin, die im Lauf der Sendung von der Liebe ihres Lebens berichtete, die sie erst vor einem Jahr verloren hat. „Ich dachte, das war’s dann“, sagt sie mit einem Lächeln, das Schmerz verrät und zugleich Mut. Die Kameras fangen ein, wie der Bachelor ihre Hand hält, nicht dominant, nicht aufdringlich. Er ist einfach da. „Ich will dich spüren“, das sagt er oft und ausdauernd, in jeder der bislang erschienenen Folgen.
Nicht nur Sylvia hat Verlust erlebt, das Thema schwingt in den Gesprächen aller Frauen mit. Ohne Resignation sprechen sie miteinander über eine Unvermeidlichkeit des Seins, über Erfahrungen, die die Jugend noch nicht kennt. Es geht ums Weitermachen und damit auch um eine Leichtigkeit, wie sie nur der Herbst des Lebens mit sich bringt. Menschen, die etwas verloren haben, sind in dieser Hinsicht womöglich klüger. Sie wissen, dass jeder eines Tages alles verlieren wird, und sie schätzen, was ihnen bis dahin bleibt. Dieses Wissen machte viele Gespräche beim interessant.
Man sah in der Show einer Generation zu, die ohne Selfies, Social Media und Shitstorms groß geworden ist, ganz für sich und unverdorben. Womöglich wirkt das Format auch deshalb so unschuldig, ja, regelrecht authentisch. Man glaubt den Beteiligten und kann nur darüber spekulieren, wie hinter den Kulissen geschwitzt wurde, um die richtigen Momente zusammenzuschneiden.
Faszinierend war dabei, wie sehr der Golden Bachelor einen Idealtypus seiner Generation verkörpert, die zwischen Tradition und Erneuerung schwankt. Er trat empathisch auf, aber niemals belehrend, war kein toxisches Alphamännchen, kein eitler Don Juan. Ein netter Kerl, der zuhörte und begriff. Er könnte ein Bruder, Nachbar oder Freund sein, den man sich für seine Mutter wünscht.