Markus Thomas Theodor Söder war schon als Baby „ein großer Brocken“, erzählt der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident BILD. „Man konnte mich nicht so leicht auf den Arm nehmen. Bei der Geburt wog ich zehn Pfund, war 63 Zentimeter groß.“ Er schmunzelt. „Meine Mutter wollte, dass ich Björn heiße. Björn Söder. Das klingt nach einem Tennisspieler aus Uppsala. Ich bin froh, dass es Markus wurde. Oder im Fränkischen ‚der Maggus‘.“
Seinen Drittnamen Theodor verdanke er dem Großvater mütterlicherseits. „Ein sehr dominanter, interessanter Mann. Jahrgang 1901, geboren in Leipzig. Seine Eltern besaßen eine kleine Fabrik, die in den 20-er Jahren abbrannte. Ich bin also zu einem Viertel Sachse.“
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Der Opa ging als junger Mann nach Berlin, wurde Autoverkäufer, erinnert sich Söder. „Im Winter badete er im See, weil er einer Frau imponieren wollte. Er bekam eine Lungenentzündung und verlor die halbe Lunge. Auf Kur in Bad Kissingen lernte er meine Oma aus Nürnberg kennen, ihre Familie betrieb dort eine kleine Tankstelle. Ihre Heirat war ein großes Glück, sonst gebe es mich heute nicht.“
„Opa kassierte auch Geld von uns“
Der alte, strenge Herr sei ihm wichtig gewesen. „Opa gab uns Kindern fünf Mark für gute Noten im Zeugnis, aber er kassierte auch Geld von uns, wenn wir schlechte Noten hatten. Als ich auf dem Gymnasium in der Mittelstufe nicht der beste Schüler war, kostete mich das Zeugnis gern mal zwanzig Mark. Rückblickend war der Opa natürlich die größtmögliche Motivation.“
Bevor Söders Eltern (er katholisch, sie Protestantin) heiraten durften, bestand der Großvater darauf, „dass wir Kinder evangelisch erzogen werden. Und er wollte die Geschäftsbücher meines Vaters sehen, ob finanziell alles in Ordnung war. Erst dann gab er seinen Segen“.
„Meine Mutter quasselte jeden voll“
Markus Söder machte das Abitur mit Note 1,3, studierte Jura („inspiriert durch die amerikanische Anwalts-Fernsehserie „L.A. Law“) und schrieb seine Doktorarbeit (Die Entwicklung der Kommunalgesetzgebung in Bayern zwischen 1802 und 1818). „Meine Mutter wollte, dass ich Medizin studiere. Darum habe ich wenigstens meinen Doktor gemacht.“ Er lächelt.
„Meine Mutter war, wie ich heute bin. Sie hat viel geredet, quasselte jeden voll. Sie war das Herz und die Seele unserer Familie, hielt die losen Enden zusammen und war für das empathisch-emotionale zuständig. Mein Vater, ein Maurermeister mit kleinem Bauunternehmen, war eher der Schweigsame. Sie waren ein gutes Team. Als gelernte Bankkauffrau kümmerte sie sich um das Finanzielle und bezahlte donnerstags die Löhne an unsere Mitarbeiter.“
Für seinen Vater wurde er Frühaufsteher
Als Kind wollte er (kurzzeitig) Betriebsprüfer beim Finanzamt werden. Warum? „Sie bekamen bei uns daheim das beste Essen und wurden von meiner Mutter umsorgt. Mein Vater verließ früh um fünf Uhr das Haus, kam abends zurück. Viel private Zeit blieb da nicht. Darum bin ich Frühaufsteher, weil ich gelegentlich mal gemeinsam mit meinem Vater frühstücken wollte. Er trug eigentlich immer seinen Arbeitskittel, nie Anzug. Bevor er zur Arbeit ging, trank er einen Schluck Williams Birne. Darum dachte ich als Junge, es handele sich um eine Art Zaubertrank.“
Markus Söder wollte Zoodirektor werden
Auf der Liste seiner Traumberufe standen auch „Zoodirektor, Fußballer und Astronaut“. Einmal, in der 8. Klasse, sei er kurz davor gewesen, sitzenzubleiben. „Latein, Englisch und Mathe waren echt mies. Auf dem letzten Relegationsplatz rutschte ich noch so durch. Meine Mutter hatte einen großen Anteil an der Versetzung. Sie besuchte den von mir ungeliebten Mathelehrer, der mir am Ende noch eine Vier gab, zweimal im Krankenhaus, brachte ihm einen Kuchen mit und behauptete, ich würde ihn als Lehrer vermissen. Was natürlich kein bisschen stimmte.“
Die enge Bindung zu seiner Mutter prägt den vierfachen Vater (zwei Söhne, zwei Töchter) bis heute. Sobald der Machtmensch über Renate Söder spricht, wird seine Stimme weicher. Söders Mutter starb 1994 mit nur 56 Jahren – Söder ist heute 58, nur zwei Jahre älter. Damals war er 27, zog wenige Wochen später erstmals in den Bayerischen Landtag ein.
„Mutter kämpfte jahrelang gegen den Tod“
An den Todestag seiner Mutter denke Söder häufig. „Sie lag im Krankenhaus, am Abend vor ihrem Tod hatte ich sie besucht. Es ging ihr eigentlich gut. Als ich am nächsten Morgen zu meinem Vater kam, mein Wahlkampf-Fahrrad stand in der Garage, saß er wie betäubt im Sessel und sagte ‚die Mama ist tot‘. Das war ein Schock. Für die ganze Familie.“
Der Tod kam plötzlich. „Meine Mutter hatte jahrelang gekämpft gegen den Tod, es gab eine lange Krankheitsgeschichte. Offenbar in dieser Nacht passte sie einmal nicht auf und hatte den Tod hereingelassen.“ Er fuhr sofort in die Klinik. Der Moment, als er das Zimmer seiner Mutter betrat, brannte sich in sein Herz ein.
„Das war krass. Sie lag vier Wochen in diesem Zimmer, hatte überall Wahlkampfplakate von mir aufgehängt. Als ich die Tür öffnete, hat mich der Anblick umgehauen. Auf dem leeren Bett stand Mutters Reisetasche, daneben ihr Kissen mit Blümchen für den Rücken und die zusammengerollten Plakate. Ein ganzes Leben in einer kleinen Reisetasche. Ich war zutiefst erschüttert. In meinem Glauben und in meiner Kraft.“
Er habe in seinem Leben nicht oft geweint. „Einmal, als Captain Kirk in TV-Serie ‚Star Trek‘ starb. Als der Club 1982 das Pokalfinale gegen die Bayern verlor. Und als meine Mutter starb.“
CSU-Chef achtet auf sein Gewicht
Welche Krankheit hatte Ihre Mutter? „In den 70er-Jahren bekam sie eine Trigeminusnerv-Entzündung. Dass sie nicht verrückt wurde vor Schmerzen, ist ein Wunder, das ist fürchterlich. Anschließend bekam sie Zucker. Darum achte ich heute bei mir selbst auf meine Blutwerte und korrigiere immer wieder mein Gewicht. Meine Mutter musste sich spritzen, irgendwann versagten die Nieren und sie kam an die Dialyse. Das ist heute viel besser als früher. Meine Mutter hat es nicht gut vertragen. Montag, Mittwoch und Freitag. Sie war völlig fertig danach. Ich habe sie oft abgeholt und nach Hause gebracht.“
Diese Erfahrung sei der Grund, weshalb sich Söder für Organspenden einsetzt. „Ich habe mehrere Ausweise. Die Seele fliegt ja ohnehin unbeschadet weiter und meinen Körper braucht niemand mehr. Darum plädiere ich für Organspende und bin Schirmherr für chronisch nierenkranke Menschen in Bayern.“ Bewunderung und Liebe sind die Gefühle, wenn er an seine Mutter denke. „Sie war trotz allem ein positiver, stets gut gelaunter Mensch. Meine Mutter fehlt mir immer wieder. Es gibt Momente im Leben, da scheint es mir, als würde sie hinten im Zimmer sitzen, mir über die Schulter blicken und Dinge bewerten. Wie mein Schutzengel.“
Mutter verheimlichte erste Ehe
Konnten Sie mit Ihrem Vater über ihre gemeinsame Trauer reden? „Anfangs nicht. Jeder hat sie anders verarbeitet. Mein Vater und ich kamen uns erst wirklich nah, als er selbst krank wurde. Er starb mit 72 Jahren auf einer Palliativstation.“ Beim Ausräumen des Elternhauses habe er eine schöne, überraschende Entdeckung gemacht. „Meine Mutter war vor meinem Vater schon mal kurz verheiratet. Und sie hatte scheinbar als junges Mädchen eine große Liebe, von der niemand wissen durfte. Einen Griechen. Ich fand seine Liebesbriefe an meine Mutter.“
Der gläubige Protestant glaubt „felsenfest“ an ein Leben nach dem Tod. „Ich bin überzeugt, meine Eltern, die Großeltern und unsere Hunde Enzo und Fanni eines Tages wiederzusehen. Und irgendwann, hoffentlich ganz, ganz weit entfernt, auch meine Kinder. Deswegen habe ich keine Angst vor dem Sterben. Allenfalls vor der Art und Weise. Manche Leute sagen, ich sei ein Hypochonder, was Krankheiten angeht.“ Er lächelt.