Am Freitag hat der Bundestag nach heftiger Debatte das Zustrombegrenzungsgesetz von CDU-Fraktionschef Friedrich Merz (69) abgelehnt. 338 Abgeordnete von Union, FDP, AfD und BSW stimmten dafür, 349 (u. a. von SPD und Grünen) dagegen. Auch aus CDU und FDP fehlten Merz zahlreiche Stimmen. Wie geht es jetzt für den Unions-Kanzlerkandidaten weiter? BILD erreichte Merz am Samstag zum Telefon-Interview.
BILD: Herr Merz, war das am Freitag im Bundestag die letzte Chance, eine Asylwende in Deutschland hinzubekommen?
Friedrich Merz: Es war die letzte Chance in dieser Wahlperiode. Und wir haben gesehen, dass SPD und Grüne zu einer wirklichen Asylwende nicht bereit sind. Jetzt haben am 23. Februar 2025 die Wählerinnen und Wähler in Deutschland das Wort.
Geben Sie den Menschen in Deutschland eine Garantie, dass Sie als möglicher Kanzler die abgelehnten Zuwanderungsgesetze sofort umsetzen. Und wenn ja, wie wollen Sie das machen?
Ich gebe den Wählerinnen und Wählern in Deutschland die Garantie, dass es in der Wirtschaftspolitik und in der Asylpolitik eine wirkliche Wende gibt. Wir brauchen in Deutschland einen Politikwechsel. Wir brauchen einen Politikwechsel hin zu Wachstum und Beschäftigung. Wir brauchen einen Politikwechsel hin zu einer strikten Begrenzung des weiteren Zuzugs von Asylbewerbern. Und wir brauchen in Deutschland einen Politikwechsel in der inneren Sicherheit.
Sie haben gesagt, am Tag eins Ihrer Kanzlerschaft würden Sie Migrationsmaßnahmen umsetzen. Bleibt es dabei?
Es geht um eine Anweisung an die Bundespolizei über das Bundesinnenministerium, in Deutschland die Grenzen zu kontrollieren und illegale Migration an den deutschen Staatsgrenzen zurückzuweisen. (…) So wie es Dänemark, Schweden, Finnland, Italien, Frankreich, viele andere Länder in Europa längst machen. Das, was andere können, können wir auch.
Dazu benötigen Sie einen Koalitionspartner. Bundeskanzler Scholz bezeichnet Sie als Zocker. SPD-Chef Klingbeil und die Grünen vertrauen Ihnen nicht. Wie wollen Sie Mehrheiten finden?
Ich stelle fest, dass die Sozialdemokraten und die Grünen in diesem Wahlkampf den Hebel umgelegt haben hin zu persönlicher Herabsetzung und Diffamierung meiner Person. Damit habe ich gerechnet. Wir aber führen einen Wahlkampf in der Sache sehr klar, sehr hart. (…) Ich möchte, dass wir so stark werden, dass sich andere nach uns richten müssen und wir uns nicht nach anderen.
Und was sagt Merz zur Merkel-Kritik?
Wie bewerten Sie die Kritik von Angela Merkel an ihrem Kurs?
Angela Merkel hat es für richtig gehalten, sich in dieser Woche zu Wort zu melden. Ich habe das zur Kenntnis genommen.
Seit Mittwoch gibt es wegen der Abstimmung im Bundestag bundesweite Demonstrationen gegen die AfD und gegen die CDU sowie Übergriffe auf Geschäftsstellen der CDU. Haben Sie dafür Verständnis?
Wir haben es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland immer wieder erlebt, dass insbesondere aus der linken und linksradikalen Ecke politische Auseinandersetzungen mit Gewalt geführt wurden. Das ist völlig inakzeptabel. Ich erwarte im Übrigen auch von der SPD und den Grünen, dass sie sich hier klar und deutlich abgrenzen gegen diese Organisationen aus dem linksextremen Lager, die hier Sachbeschädigung, Nötigung durch Besetzung von Geschäftsstellen der CDU durchführen.
Welche Themen sind für Sie und die Union in der Schlussphase des Wahlkampfs jetzt besonders wichtig?
In der Migrationsfrage sind jetzt die Positionen geklärt. Die Bürger wissen, wo die Unterschiede liegen. Geklärt ist nicht, wo die Unterschiede in der Wirtschaftspolitik liegen. Deswegen werden wir das noch sehr viel deutlicher in den nächsten Wochen herausstellen müssen. (…) Wie schaffen wir es, unsere Volkswirtschaften aus der Rezession herauszuholen und wieder auf Wachstumskurs zu bringen? Dazu werden wir die richtigen Antworten geben.
Die können Sie gerne hier schon mal geben: Wir haben 3 Millionen Arbeitslose. Die Lebensmittelpreise steigen, und es gibt dieses Jahr bestenfalls ein Miniwachstum. Wie wollen Sie das so schnell ändern?
Das wird nicht über Nacht zu ändern sein. Aber es wird gleich zu Anfang das System Bürgergeld vom Kopf auf die Füße gestellt. Das kann man innerhalb der ersten Monate machen. (…) Wir werden Schritt für Schritt dafür sorgen, dass wir wieder mit einer besseren Stimmung in das Jahr gehen. Ich bin mir sicher: Vieles daran ist auch Psychologie und Verlässlichkeit der Gesetzgebung. Eine Regierung, die statt zu streiten, Zuversicht vermittelt.
Am Freitag gab es im Bundestag eine sehr hitzige Debatte. SPD und Grüne haben Ihnen vorgeworfen, Verrat an Kohl und Adenauer zu begehen. Trifft Sie das?
Ich vermute, SPD und Grüne wissen, dass dieser Vorwurf abwegig ist. Es gibt keinen Parteivorsitzenden in Deutschland, der in einem so engen und regelmäßigen Austausch mit den Parteivorsitzenden der übrigen europäischen Parteien aus derselben Parteienfamilie steht, wie ich das tue. (…) Olaf Scholz ist in dieser Europäischen Union ein Totalausfall. Es hat noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einen Bundeskanzler gegeben, dem Europa so erkennbar gleichgültig gewesen ist wie Olaf Scholz. Hier wird es einen Wechsel auch im persönlichen Umgang mit den übrigen Mitgliedsländern der Europäischen Union geben.