Die Bremerhavener Heinrich Rönner Gruppe übernimmt die insolvente Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG). Die Bremer Lürssen-Gruppe kauft die Nobiskrug-Werft in Rendsburg, bislang ein Tochterunternehmen von FSG. Das teilten die Insolvenzverwalter Christoph Morgen für FSG und Hendrik Gittermann für Nobiskrug am Freitagmorgen mit.
Die beiden Werften gehörten bis Ende 2024 zum Investmentfonds Tennor des Finanzunternehmers Lars Windhorst. Im November hatte eine Krankenkasse einen Insolvenzantrag für die Schiffbauunternehmen gestellt, nachdem Sozialbeiträge nicht mehr bezahlt w0rden waren. Die zuständigen Gerichte eröffneten Mitte Dezember rückwirkend zu Anfang November das vorläufige Insolvenzverfahren. Den beiden Insolvenzverwaltern blieben nur wenig Zeit – auch wegen der Weihnachtspause – um neue Investoren zu finden.
„Es ist uns innerhalb des extrem engen Zeitfensters von nur sieben Wochen gelungen, zwei renommierte strategische Investoren für FSG und Nobiskrug zu finden“, sagte Morgen. Das Haupt-Insolvenzverfahren wird zum 1. Februar eröffnet. „In der Woche nach Eröffnung der Insolvenzverfahren werden auf der Flensburger Werft die technischen Vorbereitungen zur Wiederaufnahme des Werftbetriebs durch die Rönner-Gruppe beginnen.“
„An den beiden Standorten in Flensburg und Rendsburg können weiterhin Schiffe gebaut werden. Das ist eine gute Nachricht für die Belegschaften, die in den vergangenen Monaten viel mitgemacht haben“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Nun ist wichtig, dass so viele Beschäftigte wie möglich auf die Werften zurückkehren.“
Lürssen ist der weltweit führende Hersteller von Superyachten und Deutschlands führender Hersteller von Überwasser-Marineschiffen. Das 1905 gegründete Unternehmen Nobiskrug war bei den Yachten lange Zeit ein wichtiger Konkurrent von Lürssen. Am Nord-Ostsee-Kanal, in Schacht-Audorf gegenüber von Rendsburg, gehört Lürssen auch die frühere Kröger-Werft. „Wir freuen uns sehr, dass mit der Übernahme durch Lürssen eine langfristige Perspektive für Rendsburg geschaffen wurde“, sagte Gittermann. „Das Traditionsunternehmen passt hervorragend zu Nobiskrug. Zudem ergänzen sich die Kapazitäten und Standorte der beiden Werften nahezu idealtypisch.“
Die 1872 gegründete FSG war in den vergangenen Jahren vor allem auf den Bau von reinen Frachtfähren (RoRo) und kombinierten Fracht-Passagierfähren (RoPax) spezialisiert. In den vergangenen Jahrzehnten hatte FSG allerdings eine Vielzahl von Schiffstypen gebaut, darunter auch Marineschiffe. Eine unvollendete RoRo-Fähre mit LNG-Gasantrieb für die australische Reederei SeaRoad, die auf der Flensburger Werft liegt, soll FSG in Kooperation mit SeaRoad fetigstellen, teilte Morgen mit: „Ich danke Chas Kelly, dem Chairman von SeaRoad, dass er extra aus Tasmanien nach Norddeutschland gekommen ist, um den Neubau 784 hier in Flensburg sicherzustellen.“
Bei FSG arbeiten 310 Menschen, bei Nobiskrug 140. Bei beiden Werften werden die Beschäftigten zum 1. Februar in Transfergesellschaften wechseln. Von dort aus können sie sich bei den neuen Eignern Rönner und Lürssen bewerben.
Das Stahlbauunternehmen Rönner hatte 2021 bereits die Stahlbau-Abteilung von Nobiskrug übernommen. Rönner fertigt im Auftrag unter anderem Marineschiffe für ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS), zuletzt eine Exportfregatte für die ägyptische Marine. Auch den stark wachsenden Markt für Offshore-Windkraft-Anlagen, etwa für Konverterstationen zum Einsatz auf See, hat Rönner im Blick.
Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Hamburg, sagte: „Es wird jedes Dock, jede Kaikante und jeder Quadratmeter Schwerlastfläche gebraucht. Das Trauerspiel, das in Flensburg und Rendsburg so lange für Frust gesorgt hat, ist zu Ende – und die Kunden können sich wieder auf großartige Schiffe freuen.“
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Der Schiffbau zählt zu seinen Schwerpunktthemen.