Es war ein teurer Schock für die aufstrebenden Entwickler von künstlicher Intelligenz (KI). Rund eine Billion Dollar hat die westliche Tech-Branche am Montag an Börsenwert verloren, als ihnen ein kleines Start-up aus China urplötzlich das Geschäft streitig machen wollte.
Während US-Firmen derzeit mit Milliarden um sich werfen, um schlaue Sprachmodelle wie ChatGPT zu entwickeln, soll das Projekt namens Deepseek aus der Volksrepublik nur wenige Millionen Dollar verschlungen haben.
Am späten Mittwochabend schauten Anleger deshalb besonders gespannt ins Silicon Valley. Denn mit Meta und Microsoft haben gleich zwei KI-Schwergewichte ihre jüngsten Quartalszahlen vorgelegt – und damit auch offenbart, wie viel Geld sie zuletzt in das aufstrebende Geschäftsfeld gesteckt haben. Beide versicherten erneut, an ihren ambitionierten Investitionsplänen festhalten zu wollen. Doch beim Blick auf die Einnahmen aus KI scheint sich langsam die Spreu vom Weizen zu trennen.
Tatsächlich haben die beiden Tech-Giganten aus den USA in den vergangenen Monaten kräftig in KI investiert. Microsoft steckte rund 22,6 Milliarden Dollar unter anderem in den Aufbau seiner Rechenzentren, wie aus den Veröffentlichungen vom Mittwochabend hervorging. Anfang des Monats hatte der Konzern bereits angekündigt, im gesamten Geschäftsjahr schätzungsweise 80 Milliarden Dollar für die KI-Aufrüstung aufwenden zu wollen.
Meta hat im Gesamtjahr 2024 wiederum rund 39 Milliarden Dollar unter anderem in den Aufbau von Rechenzentren gesteckt. Daneben sagte Firmenboss Mark Zuckerberg ein „wirklich großes Jahr“ voraus. Zwischen 60 und 65 Milliarden Dollar sollen in diesem Jahr in die Entwicklung von KI fließen, kündigte der Betreiber von Facebook und Instagram an.
In dieser Woche sind allerdings Zweifel aufgekommen, ob die Konzerne tatsächlich an ihren hochgesteckten Zielen festhalten würden. Deepseek hat vor wenigen Tagen ein Modell auf den Markt gebracht, das mit den Leistungen von Anwendungen wie ChatGPT von OpenAI oder Llama von Meta mithalten kann. Angeblich hat das Training von Deepseek nur sechs Millionen Dollar gekostet – und damit ein Bruchteil dessen, was die US-Entwickler aufgewendet haben.
Das Modell von Deepseek habe den Tech-Giganten „einen Strich durch die Rechnung gemacht“, erklärte Jeremy Goldman, Chefanalyst beim Marktforschungsunternehmen Emarketer. Schließlich lasse der Erfolg der Chinesen die KI-Ausgaben möglicherweise „aufgebläht und nicht sehr zukunftsweisend“ erscheinen.
Bei der Veröffentlichung der jüngsten Zahlen haben Anleger deshalb ganz besonders auf die Worte der Manager geachtet. Während Meta-Chef Zuckerberg versicherte, dass sein Konzern langfristig sogar „Hunderte Milliarden Dollar“ in die KI-Infrastruktur stecken werde, klang die Finanzchefin von Microsoft schon etwas zurückhaltender.
„Wir sind weiterhin bestrebt, ein Gleichgewicht zwischen operativer Disziplin und kontinuierlichen Investitionen in unsere Cloud- und KI-Infrastruktur herzustellen“, sagte Amy Hood. Unternehmensboss Satya Nadella bemühte sich aber um Standhaftigkeit. „Da KI effizienter und zugänglicher wird, werden wir eine exponentiell steigende Nachfrage erleben“, zeigte er sich am Mittwoch überzeugt.
Doch zumindest beim bisherigen Geschäft mit der KI zeigten sich schon auffällige Unterschiede. Meta konnte sich im abgelaufenen Quartal über einen Rekordumsatz freuen – auch dank KI. Die Einnahmen stiegen um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und übertrafen damit die Erwartungen der Analysten. Der Nettogewinn fiel mit 20,8 Milliarden Dollar ebenfalls höher aus als erwartet.
„Deepseek bestätigt die Open-Source-Strategie“
Meta führt den Umsatz- und Gewinnzuwachs auch auf die eigenen KI-Fortschritte zurück. Dadurch seien die Empfehlungen im Content-Feed der Netzwerke wie Facebook und Instagram, also auf der persönlichen Startseite der Nutzer, besser geworden. Und damit hätten auch Werbetreibende ihre Zielgruppen besser ansprechen können.
Auch Microsofts Umsatz ist im abgelaufenen Quartal überraschend stark gestiegen. Analysten zeigten sich allerdings gerade mit den Einnahmen aus den KI-Anwendungen enttäuscht. Mit seinen KI-Produkten und -Dienstleistungen macht Microsoft aufs Jahr gerechnet einen Umsatz von 13 Milliarden Dollar.
Das entspricht zwar einem Plus von 175 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Anteil macht aber lediglich fünf Prozent am Gesamtumsatz des Konzerns aus. Dagegen stehen wiederum geplante Investitionen in Höhe von 80 Milliarden Dollar. „Wir wollen langsam einen klaren Fahrplan sehen, wie das Modell zur Monetarisierung des investierten Geldes aussieht“, sagte deshalb Brian Mulberry, Portfoliomanager bei Zacks Investment Management.
Analysten wie Gene Munster sehen Meta deshalb vorerst besser aufgestellt – und erklären das mit dem Geschäftsmodell. Der Konzern von Zuckerberg ist bei der KI-Entwicklung früh einen anderen Weg gegangen. Dessen Large-Language-Model (LLM) namens Llama ist ein sogenanntes Open Source-Modell. Das bedeutet: Der Quellcode ist öffentlich, Unternehmen können es frei nutzen.
Meta will also nicht unbedingt mit dem Modell selbst Geld verdienen. Stattdessen erhofft sich der Konzern von der Öffnung für andere Verbesserungen fürs eigene Geschäft. Diese sollen dann wiederum konzerneigenen Zwecken dienen – etwa der besseren Vermarktung für Werbekunden. Microsoft wiederum will seine Sprachmodelle wie etwa Copilot gewinnbringend verkaufen.
Doch genau dieses Verkaufsmodell steht auf der Kippe, wenn plötzlich Billig-Konkurrenz aus China auf den Markt drängt. „Der Erfolg von Deepseek bestätigt die Open-Source-Strategie“, konstatiert auch Munster. Metas Sprachmodell Llama könne nun sogar „das Deepseek des Westens“ werden, ist der Analyst überzeugt. Schließlich würden US-Unternehmen wahrscheinlich eher auf US-Anbieter vertrauen als auf chinesische Modelle.
Um eine andere Sache muss sich Meta seit gestern wohl gewiss keine Sorgen mehr machen. Der Konzern zahlt laut einem Medienbericht 25 Millionen Dollar an Donald Trump, um eine Klage wegen der Account-Sperrung des heutigen US-Präsidenten aus der Welt zu schaffen.
Facebook und Instagram hatten Trump nach dem Sturm seiner Anhänger auf das US-Kapitol in Washington Anfang Januar 2021 ausgesperrt. 22 Millionen Dollar sollen jetzt in den Fonds für Trumps Präsidentenbibliothek fließen, schrieb das „Wall Street Journal“. Mit dem Rest würden etwa Anwaltskosten bezahlt.