Donald Trump? Den Elefanten im Raum erwähnt von der Leyen kein einziges Mal

Es sollte nichts weniger als der „Moment der Wahrheit“ für Europa werden, hieß es schon vorab: die Rede der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Quasi als die eine wirklich wichtige Antwort Europas auf die Rede eines anderen Präsidenten: die Ansprache Donalds Trumps zu seiner zweiten Amtseinführung. Die kannte nur „America First“ und konnte auch als Kampfansage an Europa verstanden werden. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die EU-Kommissionspräsidentin, die große Halle im Kongresszentrum bis zum letzten Platz gefüllt.

Doch von der Leyen war nicht auf Krawall gebürstet, im Gegenteil. In ihrer knapp halbstündigen Ansprache brachte sie es fertig, den Elefanten im Raum nicht ein einziges Mal zu benennen, der Name Trump kam ihr nicht über die Lippen. Auch auf die Rede Trumps oder die vielen vom 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten angekündigten Maßnahmen nahm sie kein einziges Mal direkt Bezug – von der Ankündigung konkreter politischer Reaktionen ganz zu schweigen. Ja, es dauerte sogar 20 Minuten, ehe sie überhaupt auf die USA zu sprechen kam.

Stattdessen beschäftigte sie sich vor dem globalen Publikum ausführlichst mit den Vorzügen des Wirtschaftsstandorts EU – und mit den vielen überfälligen Hausaufgaben daheim. Wie etwa die Kapitalmarktunion, auf die viele der Banker in Davos sehnsüchtig warten und die nun, in der zweiten Amtszeit von der Leyens auf den Weg gebracht werden soll. Europas Sparer hätten 1,4 Billionen Euro auf der hohen Kante – Geld, das den europäischen Firmen nicht zur Verfügung stehe. „Europa fehlt es nicht an Kapital, sondern nur an effizienten Kapitalmärkten“, sagte von der Leyen. Man werde alles tun, damit Kapital nahtlos in Europa fließen werde. Außerdem werde die neue europäische Agenda für weniger Bürokratie sorgen.

Europa ist in der vergangenen Dekade weit hinter die USA zurückgefallen. Im Jahr 2011 agieren die EU und die USA bei der Wirtschaftsleistung noch auf Augenhöhe. Inzwischen ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA 50 Prozent größer als das der EU.

Wie Europa den Abstand wieder verkleinern will, konnte von der Leyen den Teilnehmern in Davos nicht überzeugend darlegen. Wenn es nach der EU-Kommissionspräsidentin geht, ist Europas Antwort auf Trump 2 nicht so sehr in einer Konfrontation zu sehen als in einer Ausweichreaktion. „Die erste Reise der neuen Kommission wird nach Indien führen“, sagte sie.

Außerdem wolle man „die Handels- und Investitionsbeziehungen zu China ausdehnen, wenn möglich“. Es hatte fast den Anschein, als würde sich die EU-Kommissionspräsidentin den Chinesen andienen. Man werde sich auch „jenseits von Blöcken und Tabus engagieren“, wenn Europa daraus Vorteile entstehen. „Europa steht bereit für den Wandel“, rief sie den Teilnehmern entgegen. „Europa ist offen für Geschäfte.“

Olaf Gersemann und Holger Zschäpitz berichten vom Weltwirtschaftsforum 2025 in Davos.