Extremer Gewichtsverlust, Misshandlungen wie Schläge und Brandwunden sowie sexueller Missbrauch – auch an Kindern: Das war die traurige Realität der Hamas-Geiseln, die im November 2023 freikamen. Jetzt bereiten sich israelische Krankenhäuser erneut auf die Ankunft von Freigelassenen vor.
98 Menschen befinden sich noch in den Fängen der Terrororganisation, die während ihres Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 insgesamt 250 Frauen, Männer und Kinder verschleppte und 1200 tötete. Die ersten der verbliebenen Gefangenen sollen am Sonntag ab 16 Uhr (Ortszeit) nach Israel zurückkehren.
Das Gesundheitsministerium hatte Donnerstag neue Klinik-Richtlinien veröffentlicht. Wie die „Times of Israel“ berichtete, werden Schwangerschaftstests durchgeführt sowie Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten.
Woran die Hamas-Geiseln leiden könnten
Amir Blumenfeld, Facharzt für Kinderchirurgie und Mitglied des medizinischen Teams des Forums der Familien Entführter und Vermisster, warnt vor umfangreichen medizinischen Problemen.
▶︎ Laut „Tagesspiegel“ hat Blumenfeld vor dem ersten Geisel-Deal Fachliteratur zurate gezogen, um zu begreifen, wie ein Aufenthalt in den Terror-Tunneln der Hamas den menschlichen Körper beeinträchtigt. „Jedes System im Körper nimmt Schaden: das Gehirn, das Herz, die Lungen, die Muskeln, die Knochen, das Verdauungssystem. Der wichtigste Faktor dabei ist die Zeit.“
Meital Levy, klinische Ernährungsberaterin bei Leumit Health Services, bestätigt gegenüber der Nachrichtenwebsite „Ynet“ diese Befürchtungen: „Ein so langer Zeitraum in Gefangenschaft kann zur Verschlechterung der Mund- und Zahngesundheit, Problemen des Verdauungssystems und Symptomen schwerer Mangelernährung führen. Es wird ein erheblicher Gewichtsverlust erwartet.“
Zudem könne es zu „Herzfunktionsstörungen, Muskelabbau, schweren Zahnschäden wie Zahnverlust oder -frakturen und sogar zu Knochenbrüchen kommen.“
Schauspieler halfen Medizinern bei der Vorbereitung
Eine leitende Sozialdienstleiterin in einem zentralen israelischen Krankenhaus sagt über die ersten Tage der Geiseln in Freiheit gegenüber „Ynet“: „Wir haben gelernt, uns nicht an unsere Zeitpläne zu halten, sondern uns an das Tempo der Geiseln anzupassen.“
Das Krankenhaus wurde auf die Ankunft der Freigelassenen vorbereitet: „Wir haben eine neue spezielle Einrichtung eingerichtet, die anders gestaltet ist als eine Standard-Krankenhausstation, aber mit allem ausgestattet ist, was benötigt wird.“
▶︎ Das medizinische Fachpersonal hat eine spezielle Ausbildung für die Traumabehandlung absolviert. „Im Rahmen der Vorbereitung haben wir mehrere Simulationen potenzieller Szenarien mit den Geiseln durchgeführt. In einem Fall haben wir Schauspieler einbezogen, um komplexe Situationen realistisch nachzustellen“, erklärt die Sozialdienstleiterin.
Obwohl sie im November 2023 bereits Geiseln behandelt hat, sei die kommende Situation völlig anders: „Diesmal geht es um Menschen, die seit einem Jahr und drei Monaten in Gefangenschaft sind.“
Dazu kommt: Die Geiseln haben während ihrer Gefangenschaft kaum oder nur selektiv Zugang zu Informationen gehabt. „Wir sind uns bewusst, dass sie wahrscheinlich einer überwältigenden Menge an Informationen ausgesetzt sein werden, und aus früheren Erfahrungen haben wir gelernt, dass Geiseln oft mit Fehlinformationen oder unter dem Einfluss psychologischer Kriegsführung zurückkehren.“
Eine Annäherung an die Realität müsse schrittweise geschehen.