Natürlich können wir nicht verlässlich in die Zukunft sehen: Es wird beklagenswert früh dunkel Anfang September, ein gazefeiner Tränenschleier liegt über den Augen, weil der Sommer Lebewohl sagt. Und all das trübt nicht nur die Sicht, sondern auch unsere Fahrtauglichkeit für, zum Beispiel, Motorräder, auf denen zurzeit etwa ein einjähriger Junge namens Brooks in den USA durch Landschaften fährt, in denen wir uns bereits zu Fuß spontan gerissene Bänder holen würden und ruinösere Gelenke als ohnehin schon.
Brooks sei ein „Mega-Talent“, finden Zeitung und auch seine Eltern, was andere Eltern skeptisch sehen, einerseits wegen Gefährlichkeit, andererseits wegen der Umwelt. Wobei Mütterforen Brooks bald vergessen haben, da nun Videos der kleinen Fee-Jasmin (2) aus dem Landkreis Westerstede kursieren, die einen Podcast über die kommende US-Wahl aufnehmen will, und die ersten Gäste sind der Onkel, der 1986 mal in Cleveland zwischengelandet ist, und ein Plüschdinosaurier namens Hubertus. „Sie hat schon früh beim Zuhören die Hand ans Kinn gelegt“, sagen die Eltern, worüber sich im sogenannten Netz rasch Entrüstung entzündet, da andere Eltern, die bekanntlich die kundigsten Experten für die Hochbegabung der eigenen Kinder sind, sowohl Fee-Jasmins vergleichsweise spärlichen Wortschatz als auch die frühkindliche Voreingenommenheit (vor allem fiskalpolitisch) kritisieren.
Und in der Debatte über Neurodiversität und allgemeine Verteilung von Talent meldet sich bald der Vater des elfmonatigen Ludolf in der Presse zu Wort, dessen Sohn als jüngster AfD-Landrat kandidieren soll. Ludolf sei bereits „mit dem rechten Arm zuerst“ auf die Welt gekommen, sagt sein stolzer Vater, dem bald keiner mehr so gern zuhört, was allerdings bloß daran liegt, dass die handschriftlichen Prosamanuskripte des vierjährigen Robinson-Pierre (aufgewachsen in Los Angeles, Ulan-Bator und Berlin-Tegel) erhebliche Wellen schlagen, da Literaturkritiker unter anderem die „Düsternis von Josef Winkler“ und die „magisch-betörende Kraft“ von Flauberts Frühwerk erkannt haben wollen, selbst wenn auf vielen Seiten die i-Punkte Herzchen sind, mit denen Robinson-Pierre allerdings „auf die Flüchtigkeit der Liebe in der Gegenwart und die Unmöglichkeit der wahren Empfindung hinweisen“ wolle, wie seine Mutter sehr gern und auch sehr oft erklärt.
Ihr Sohn selbst stehe für Interviewanfragen nicht zur Verfügung, da er sich nun auf seine Karriere als Cellist konzentrieren möchte, die im Wesentlichen auch schon toppigaloppi läuft, wie man hier im Feuilleton sagt. Nur im Netz melden sich wieder 17 bis 38 Mütter oder Väter und haben Einwände. Aber man weiß ja, dass das Schlimmste an Kindern meistens die Eltern sind.