Viel schneller als erwartet hat sich das internationale Geschäft mit Kreuzfahrten nach der Pandemie wieder erholt. In Hamburg liegt die Zahl der Schiffsanläufe und der Kreuzfahrtpassagiere mittlerweile über dem Niveau von 2019, vor dem Beginn der Pandemie. Und das starke Wachstum dauert an. Simone Maraschi, 49, und Iris Scheel, 54, Geschäftsführer und Geschäftsführerin von Cruise Gate Hamburg (CGH), sagten WELT AM SONNTAG, wie die Hansestadt von diesem Trend in den kommenden Jahren profitieren kann. CGH, ein Tochterunternehmen der Hamburg Port Authority, ist für die Kreuzfahrtterminals in der Hafencity, auf Steinwerder und in Altona verantwortlich.
WELT AM SONNTAG: Herr Maraschi, Frau Scheel, Sie erwarten für 2025 in Hamburg 294 Anläufe von Kreuzfahrtschiffen, im vergangenen Jahr waren es 268 Anläufe. Wächst die Gesamtzahl der Passagiere dabei mit?
Simone Maraschi: Die Zahl von einer Million Kreuzfahrtpassagieren in Hamburg haben wir erstmals 2023 überschritten, insgesamt waren es im vorvergangenen Jahr 1,2 Millionen Passagiere. 2024 war die Zahl ähnlich hoch, 2025 wird sie vielleicht etwas höher sein. Die Zahl der Passagierwechsel in Hamburg hat sich deutlich erhöht. Inklusive der Wintersaison, mit der Kreuzfahrten in Hamburg seit der Zeit der Pandemie durchgehend das ganze Jahr hindurch angeboten werden, wächst die Zahl der Passagiere und der Schiffsanläufe in Hamburg tendenziell weiter. Aida hat vor einigen Jahren damit begonnen, auch während der Wintermonate Kreuzfahrten von Hamburg aus anzubieten. Später kamen TUI, MSC und andere Reedereien hinzu.
Iris Scheel: Die Kreuzfahrt ist inzwischen als ganzjähriges Angebot in Hamburg etabliert, und das hilft uns auch bei der Auslastung der Terminals immens. Das starke Wachstum der vergangenen Jahre hängt wesentlich auch mit der Ausdehnung der Saison zusammen.
WAMS: Ist für Cruise Gate Hamburg rein wirtschaftlich die wachsende Zahl der Passagiere oder die der Schiffsanläufe wichtiger?
Maraschi: Die Passagierzahl ist wichtiger, weil in der wachsenden Zahl der Schiffsanläufe auch eine Reihe kleinerer Kreuzfahrtschiffe stecken. Die wirtschaftlichen Wachstumsschübe für Hamburg und den Hafen bringen vor allem die großen Kreuzfahrtschiffe mit vielen Passagieren. Aber natürlich freuen wir uns auch darüber, dass die Zahl der Schiffsanläufe in Hamburg steigt.
WAMS: Wird der neu gebaute Kreuzfahrtterminal in der Hafencity rechtzeitig zum Beginn der Sommersaison 2025 eröffnet?
Scheel: Wir treiben die Ausbauarbeiten an Fußböden, Decken, Beleuchtung und weiterer technischer Ausstattung voran. Das wird noch bis Februar dauern. Wir rechnen damit, dass wir das erste Schiff im April am neuen Terminal begrüßen können. Voraussetzung dafür ist auch, dass dann das neue Westfield-Quartier insgesamt eröffnet ist, wovon wir im Moment ausgehen.
WAMS: Wie stark haben die langen Bauverzögerungen im Westfield-Quartier den Bau des neuen Kreuzfahrtterminals beeinträchtigt?
Scheel: Wir sind in einem sehr intensiven Austausch, um die sich immer wieder verschiebenden Schnittstellen mit der Inbetriebnahme des gesamten Westfield-Quartiers immer wieder neu zu justieren. Das hat in den vergangenen Monaten viel zusätzlichen Abstimmungsbedarf erfordert.
WAMS: Wie wird der Kreuzfahrtbetrieb an den drei Terminals in Hamburg künftig aufgeteilt sein? Die größten Schiffe liegen ja üblicherweise am Terminal auf Steinwerder.
Maraschi: Mit drei Terminals steigt unsere Flexibilität bei den Anläufen. Sicher ist der Terminal mitten in der Hafencity besonders gut für Schiffe im Luxussegment geeignet, für Expeditionskreuzfahrtschiffe und generell für Transitanläufe, bei denen die Passagiere für einige Zeit an Land gehen, um die Stadt zu sehen und zu erleben. Das funktioniert auf Steinwerder mitten im Hafen natürlich nicht so gut – der Terminal dort wiederum ist besonders prädestiniert für den Passagierwechsel auf den größeren Schiffen, auch deshalb, weil am Terminal viel Parkraum für Pkw und Busse zur Verfügung steht.
Scheel: Grundsätzlich sind die Terminals nicht auf bestimmte Schiffe festgelegt, das steuern wir immer nach Bedarf. Am Terminal in Altona sind wir von der Schiffsbreite her etwas limitiert, wegen der Hafenverkehre auf der Elbe. Am Terminal in der Hafencity wiederum müssen wir immer speziell auch auf die Tiefgänge der Schiffe schauen.
WAMS: Gibt es weiterhin Diskussionen oder Überlegungen, einen vierten Kreuzfahrtterminal in Hamburg zu bauen, wenn die Zahl der Anläufe und der Passagiere weiterwächst?
Maraschi: Zwei Segmente werden sich in den kommenden Jahren besonders gut weiterentwickeln, große Schiffe mit mehr als 4500 Passagieren Gesamtkapazität und das Luxussegment.
Scheel: Wenn der Bedarf kommt, wäre es sinnvoll, den Terminal auf Steinwerder um einen weiteren Liegeplatz zu erweitern. Mit dieser Lage haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, gerade mit der Logistik und bei der Erreichbarkeit großer Schiffe.
WAMS: Der Terminal auf Steinwerder wurde 2015 als Provisorium in Betrieb genommen, weil der Hafen die Fläche für den Güterumschlag damals nicht brauchte. Man rechnete damit, dass der Betrieb dort nur für einige Jahre befristet laufen würde. Mittlerweile hat sich das Provisorium in der Branche aber sehr gut etabliert.
Scheel: Die Nutzung hat sich dort verstetigt, Steinwerder ist kein Provisorium mehr. Die Kreuzfahrt ist für den Hamburger Hafen zwar immer noch eine Nische, gemessen an der Zahl der Schiffsanläufe. Aber allein in den vergangenen rund zehn Jahren seit der Inbetriebnahme des Terminals auf Steinwerder hat das Kreuzfahrtgeschäft in Hamburg deutlich weiter an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen.
Maraschi: Das Kreuzfahrtgeschäft ist mittlerweile eine Säule für den Tourismus in Hamburg. Nicht nur die Schiffsanläufe und die Passagiere in der Stadt, auch Großereignisse wie die Cruise Days oder der Hafengeburtstag locken viele Touristen nach Hamburg.
WAMS: Wie hoch ist die gesamte Wertschöpfung der Kreuzfahrt für Hamburg heutzutage?
Maraschi: In der zurückliegenden Studie dazu wurden etwa 420 Millionen Euro Umsatz jährlich ermittelt. Sie stammt aber aus dem Jahr 2018. Wir lassen das demnächst in einer neuen Studie mit Zahlen von 2023 untersuchen. Ich vermute, dass die Kreuzfahrtbranche heutzutage in Hamburg jährlich etwa 500 Millionen Euro erwirtschaftet.
WAMS: Hamburg war vor einigen Jahren weltweit einer der ersten Häfen, die Landstrom für Kreuzfahrtschiffe angeboten haben. In der politischen Diskussion in der Stadt wird aber immer wieder kritisiert, dass die Kreuzfahrtreedereien dieses Angebot noch nicht intensiv genug annehmen und dass damit ein wichtiges Potenzial für den Klimaschutz ungenutzt bleibt.
Scheel: Unser Eindruck beim Thema Landstrom ist nicht so negativ. Bei einer neuen Technologie wünscht man sich ja immer, dass sie schnell und in großem Umfang genutzt wird. Aber die technologische Regulierung bei einem so komplexen Thema wie der Landstromversorgung von Kreuzfahrtschiffen nimmt einfach mehr Zeit in Anspruch, als man ursprünglich dachte. In Hamburg kommt dabei ja auch die Tide ins Spiel, die sich stark verändernden Wasserstände, bei denen die Landstromanschlüsse an den Schiffen nachgeführt werden müssen.
Maraschi: Rund 70 Prozent aller heutzutage landstromfähigen Kreuzfahrtschiffe nutzen den Landstrom in Hamburg. Landstromfähig sind mittlerweile etwa zwei Drittel aller Kreuzfahrtschiffe, die in Hamburg festmachen.
WAMS: Welche Größe erreichen die Kreuzfahrtschiffe in Hamburg?
Maraschi: Durchaus bis zu 6000 Passagiere. Das ist nicht so weit entfernt von den heutzutage größten Kreuzfahrtschiffen der Welt.
WAMS: Hamburg hat etliche Engpässe auf der Straße und der Schiene und kaum Interkontinentalflüge. Hemmt das auch das Kreuzfahrtgeschäft?
Scheel: Wir profitieren davon, dass das Kreuzfahrtgeschäft überwiegend am Wochenende stattfindet und dass dadurch der Individualverkehr – zum Beispiel zum und vom Terminal Steinwerder – weniger belastet ist als während der Woche. Bei den Bahn- und Flugverbindungen hören wir nicht, dass Passagiere und Reiseveranstalter Probleme hätten. Klar ist aber, dass wir als Kreuzfahrtbranche von einer engeren internationalen Anbindung des Hamburger Flughafens sehr profitieren würden. Gerade auch, wenn es um die Akquisitionen von US-Reedereien geht.
Maraschi: Die Sanierung der Eisenbahnkorridore zwischen Hamburg nach Berlin und Hannover wird in den kommenden Jahren sicher auch einmal Einschränkungen für Kreuzfahrtpassagiere mit sich bringen. Aber im Luftverkehr zum Beispiel organisieren Kreuzfahrtreedereien wie MSC oder Costa ihre Charterflüge für die Zu- und Abfahrten der Schiffe in Hamburg selbst. Bei den Linienflügen würden uns mehr internationale Flüge sicher helfen.
WAMS: Mit welchen Häfen konkurriert Hamburg in Nordeuropa?
Maraschi: Kiel ist der wichtigste deutsche Hafen für die Kreuzfahrten in der Ostsee, Hamburg ist vor allem in Richtung Nordsee orientiert. Das ergänzt sich sehr gut. Konkurrenz in dem Sinne, dass sich einzelne Häfen in der Region gegenseitig die Passagiere streitig machen, sehen wir nicht. Das britische Southampton legt zum Beispiel bei den Kreuzfahrten in den vergangenen Jahren sehr stark zu, weil sich der heimische Markt dort gut entwickelt. Das führt aber eher dazu, dass Kreuzfahrtreedereien einen solchen Hafen mit anderen Häfen verbinden und nicht zur Verschiebung von Passagierströmen. Deutschland ist der zweitgrößte Kreuzfahrtmarkt der Welt nach den USA, ein sehr starker Quellmarkt für die Kreuzfahrtreedereien. Das kommt uns in Hamburg sehr zugute. Das Kreuzfahrtgeschäft in der Ostsee hingegen ist durch den Ukrainekrieg stark zurückgegangen, vor allem auch, weil US-amerikanische Reedereien viele Schiffe aus der Ostsee abgezogen haben.
WAMS: Welche aktuellen Trends sehen Sie im Kreuzfahrtgeschäft?
Maraschi: Das Durchschnittsalter der Kreuzfahrtpassagiere ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Jahr für Jahr probieren mehr neue Kunden das Produkt Kreuzfahrt aus. Das Angebot für unterschiedlichste Bedürfnisse ist sehr groß. Treiber des Kreuzfahrtmarktes sind große Schiffe mit mehr als 4500 Passagieren, und außerdem Luxus- und Expeditionskreuzfahrtschiffe.
Scheel: Wir achten in Hamburg sehr darauf, dass wir das gesamte Spektrum der Kunden ansprechen und hier möglichst viele unterschiedliche Kreuzfahrt-Formate bieten können.
Iris Scheel, 54, ist seit 2022 Geschäftsführerin des Terminalbetreibers Cruise Gate Hamburg (CGH). Vor ihrem Wechsel arbeitete sie für die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), deren Tochterunternehmen Cruise Gate Hamburg ist.
Simone Maraschi, 49, ist seit 2020 Geschäftsführer von Cruise Gate Hamburg. Zuvor arbeitete er in der Kreuzfahrtabteilung des Schiffsmaklers Sartori & Berger. Seit 2024 ist Maraschi auch Vorsitzender von Cruise Europe, einem Netzwerk von Kreuzfahrthäfen und -destinationen in Nordeuropa.
Simone Maraschi, 49, ist seit 2020 Geschäftsführer von Cruise Gate Hamburg. Zuvor arbeitete er in der Kreuzfahrtabteilung des Schiffsmaklers Sartori & Berger. Seit 2024 ist Maraschi auch Vorsitzender von Cruise Europe, einem Netzwerk von Kreuzfahrthäfen und -destinationen in Nordeuropa.
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Die maritime Wirtschaft – Häfen, Schifffahrt und Werften – zählt zu seinen Schwerpunktthemen.