Er wäre gern Kanzlerkandidat geworden, musste aber Friedrich Merz (69, CDU) den Vortritt lassen: CSU-Chef Markus Söder (57) will nun seinen Beitrag leisten, dass die Union nach der Neuwahl am 23. Februar wieder an die Regierung kommt. Zum Start in die heiße Wahlkampf-Phase macht Söder klare Ansagen – auch in Richtung Merz, der Bündnisse mit der Öko-Partei partout nicht ausschließen will.

BILD: Herr Söder, wenn Sie auf das politische Jahr 2024 zurückblicken: Was war der Höhepunkt – und was der Tiefpunkt?

Markus Söder: „Der Höhepunkt war das Ende der Ampel und damit die Chance, dass Deutschland endlich erlöst wird und wir eine neue Phase des Aufbruchs und auch der Stabilität erreichen. Aber gleichzeitig war das auch der Tiefpunkt. Denn noch nie ist eine deutsche Regierung so gescheitert. Den Stil und die Art und Weise, wie alle Beteiligten aufgetreten sind, fand ich unglaublich und unwürdig. Ein Bundeskanzler, der holzt und das erste Mal in seiner Amtszeit Temperament zeigt über den Teleprompter. Und ein Wirtschaftsminister, der nach einer völlig gescheiterten Wirtschaftspolitik sich sogar noch zum Kanzlerkandidaten aufschwingt.“

Ein Thema beschäftigt die Deutschen intensiv – die Amokfahrt in Magdeburg. Hätte man dieses Verbrechen verhindern können, wenn die Polizei oder auch die Geheimdienste mehr Befugnisse gehabt hätten?

Söder: „Es gibt nie eine hundertprozentige Sicherheit bei solchen kranken Gehirnen, die versuchen, Menschen zu töten und Leid und Attentate verursachen. Eines weiß ich aber: Wir müssen endlich aufwachen. Wir leben in einer anderen Zeit. Wir brauchen auch eine Zeitenwende für die innere Sicherheit. Ohne die amerikanischen Geheimdienste wären wir ohnehin blind. Aber wir kleben uns auch noch zusätzlich die Augen ständig zu. Wir nutzen nicht die technischen Möglichkeiten, die wir hätten, um das Land sicherer zu machen. Deswegen braucht es auch hier ein neues Sicherheitspaket. Es wäre für die Union ganz zentral, in einer neuen Regierung ein neues Sicherheitspaket zu machen.“

Mit welchen Punkten?

Söder: „Die Vorratsdatenspeicherung ist elementar wichtig, um Kriminalität und Terrorismus einzuschränken. Die Speicherung von IP-Adressen ist entscheidend, um am Ende auch Täter zu finden. Beispielsweise nicht nur Terroristen, sondern auch im Bereich der Kinderpornografie. Drittens: Der biometrische Abgleich mit den vorhandenen Kameras, die wir in Deutschland haben, an Bahnhöfen, an öffentlichen Plätzen, muss mittels KI endlich möglich sein, um schnell fahnden zu können und zu wissen, wer sich wo bewegt. Alles ist technisch möglich, rechtlich erlaubt, scheitert bislang aber am Widerstand von Grünen und vor allem FDP. Und last but not least: Die Bundespolizei muss massiv verstärkt werden, um insbesondere an Bahnhöfen eine neue Sicherheit zu entwickeln.“

Erklären Sie die innere Sicherheit gerade zum Hauptthema des Bundestagswahlkampfes?

Söder: „Es ist eine neue Union, die antritt. Im Grunde ist es die Handschrift der CSU. Und wir sind Friedrich Merz von der CDU sehr dankbar, dass wir da einen neuen Weg gehen. Recht und Sicherheit, Schutz der Unversehrtheit der Bürger ist die Voraussetzung für Freiheit. Und das ist zentrales Thema im Wahlkampf – ja.“

Aber da hätten Sie doch im Bundesrat den Vorschlägen von Innenministerin Faeser folgen können.

Söder: „Die gehen alle nicht weit genug. Ein Beispiel: Bei den jüngsten Sicherheitsgesetzen steht drin, dass bei bestimmten Maßnahmen der Präsident des BKA selbst die Entscheidung treffen muss, ob weiterverfolgt wird oder nicht. So bindet man Ermittlern, die täglich ihre Arbeit machen, die Hände. Aber es braucht auch einen neuen Geist in der Justiz mit stärkeren und härteren Gesetzen. Nicht nur die schweren Straftaten sollten zur Zurückführung führen, sondern auch einfache Straftaten. Wer hier Recht und Gesetz bricht, hat auf Dauer keine Zukunft in Deutschland.“

Darf ein Koalitionsvertrag unterschrieben werden, in dem am Ende keine Zurückweisungen an den Grenzen stehen?

Söder: „Für uns ist die Zurückweisung an der Grenze elementar. Deswegen ist für uns klar, dass die Grünen ausscheiden. Die Grünen sind der Hauptbremser beim Thema Migration, weil man von einer völlig falschen Ideenvorstellung ausgeht. Es muss jedem klar sein: Schwarz-Grün führt zum Erstarken der AfD. Deswegen sage ich natürlich: Für einen Koalitionsvertrag ist wichtig, dass die Zurückweisung drinsteht. Für mich ist deswegen auch klar, dass Schwarz-Grün in jedem Fall ausscheidet.“

Also geben Sie uns ihr Wort, dass die CSU keinen Koalitionsvertrag mit den Grünen unterschreibt.

Söder: „Da bin ich ganz felsenfest klar.“

Oder geht das Hintertürchen: mit den Grünen, aber ohne Habeck?

Söder: „Die Grünen haben sich geradezu geistig versklavt gegenüber Robert Habeck. Er ist ihr Spitzenmann und das ist auch in Ordnung so, das entscheiden die Grünen allein. Auffällig ist, dass Robert Habeck ja einen völlig entkernten Wahlkampf versucht. Bei aller Sympathie für einen Küchentisch: Wer lieber am Küchentisch sitzt statt am Kabinettstisch, sagt von vornherein, dass er sich politisch aufgibt. Und es reicht auch nicht, nur quasi eine Art Knuddel-Wahlkampf zu führen, wenn man der erfolgloseste Wirtschaftsminister der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Es wäre ein Desaster für die Stimmung in Deutschland, für die Wirtschaft – denn auch Wirtschaft ist Psychologie – würde Habeck erneut berufen werden als Wirtschaftsminister. Das würde weitere Rezession und Deindustrialisierung zur Folge haben. Respekt vor jeder Kandidatur, Respekt vor der Person. Aber trotzdem: Man kann mit jemand reden und höflich sein, aber man muss ihn nicht zum Koalitionspartner machen. Da ist meine Haltung eindeutig.“

Die Union verspricht Steuersenkungen, stabile Renten und Bundeswehr-Aufrüstung. Experten schätzen die Zusatzkosten auf rund 90 Milliarden Euro. Wo soll das Geld herkommen?

Söder: „Die Migration kostet 50 Milliarden, hier sind massive Kürzungen möglich, indem man die sozialen Leistungen deutlich reduziert. Zweitens: Das Heizgesetz abschaffen. Damit sind allein Kosten weit über 30 Milliarden verbunden. Und drittens natürlich das Bürgergeld. Wir werden unsere Maßnahmen stufenweise finanzieren und nicht alle auf einmal auf den Weg bringen.“

Klingt nach Prinzip Hoffnung.

Söder: „Nein. Das klingt nach dem Prinzip Konzept.“

Aber es wird auch noch Jahre dauern, bis der Aufschwung Geld in die Staatskassen spült …

Söder: „Sie werden nicht jede steuerliche Entlastung gleich in einem Schlag machen können. Aber Sie brauchen einige steuerliche Entlastungen, um ein Signal zu setzen, verbunden mit Entbürokratisierung und Senkung der Energiepreise.“

Die Union ist in den Umfragen zwar klar vorn, aber es fehlt der Merz-Wumms. Woran liegt das?

Söder: „Ich glaube, viele potenzielle Unionswähler sind unsicher. Wird es reichen für einen grundlegenden Wechsel? Oder ist es nur ein Regierungs- statt eines Richtungswechsels? Bedeutet das Angela Merkel 4.0? Oder ist es tatsächlich doch eine neue Regierung, mit einer neuen Handschrift und Mentalität? Wird man sich wieder auf deutsche Tugenden konzentrieren wie Leistungsbereitschaft, Fleiß, Anstand, Pünktlichkeit? Oder geht es weiter mit der ganzen Woke-Soße, mit immer mehr Gendern?“

Was ist Ihr politischer Wunsch fürs neue Jahr?

Söder: „Dass sich Deutschland wieder zurechtruckelt, stabil wird und ein internationaler Partner wird, über den man mit Respekt redet und es nicht nur Sorgenfalten gibt, wenn man im Ausland nachfragt. Nicht jeder wünscht sich ein sehr starkes und selbstbewusstes Deutschland. Aber ein schwaches Deutschland ist eine Gefahr für den Kontinent, für die europäische Einheit und wird vielleicht auch zum internationalen Spielball. Denn die Wahrheit ist: Die Lage wird nicht einfacher. Die Bedrohung aus Russland ist da. Die Herausforderung aus den USA wird kommen und da braucht es ein starkes Land, das in der Lage ist, dagegenzuhalten.“