Nur noch 14 Betriebe – die letzten Überlebenden der Klavier-Hochburg Deutschland

Es gibt in Deutschland mehr als 8,5 Millionen Klaviere – ein Teil von ihnen befindet sich in Musikschulen, die allermeisten jedoch stehen in Privathaushalten. „Aber von denen sind viele nicht mehr als Dekoration“, meint Christian Blüthner-Haessler, Chef der Julius Blüthner Pianofortefabrik in Leipzig und Vorsitzender des Bundesverbands Klavier.

Seine Firma kann man als eine der letzten Überlebenden in der Branche bezeichnen. „Allein in Leipzig gab es um 1900 noch 200 Klavierbaubetriebe“, sagt Blüthner-Haessler. „Heute gibt es bundesweit nur noch 14.“ Und es könnten sogar noch weniger werden. So hat das Braunschweiger Traditionsunternehmen Grotian-Steinweg zuletzt Insolvenz angemeldet.

Am allgemeinen Interesse der Bevölkerung an Musik dürfte die schwierige Situation nicht liegen. Viele Menschen in Deutschland lernen auch heutzutage Klavierspielen – das Instrument liegt in der Nachfrage weit vor Gitarre, Geige und Blockflöte. Und: „Deutschland ist immer noch die Hochburg des Klavierbaus in der Welt. Hier werden die Standards gesetzt, die international anerkannt werden“, sagt Blüthner-Haessler.

Davon profitiert auch sein Unternehmen: Rund 5000 Klaviere würden derzeit jährlich in Europa gebaut, vor 20 Jahren seien es noch zehnmal so viele gewesen.

Mit Ausnahme von kleinen Betrieben in Estland, Italien, Österreich und Tschechien kämen heutzutage die allermeisten aus Deutschland. Blüthner baue davon je nach Jahr zwischen 800 und 850 Stück. Die eine Hälfte sind Flügel, die andere die sogenannten aufrechten Klaviere, auch Pianino genannt.

Für die Herstellung der Instrumente ist sehr viel Handarbeit nötig. Das stelle die Klavierbauer vor Probleme, denn nicht nur die Rohstoffe seien in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden, auch die Löhne seien gestiegen, sagt Blüthner-Haessler. Der deutsche Markt leide zudem unter Inflation und Rezession.

„Wer einen unsicheren Arbeitsplatz hat, wird jetzt wohl kein neues Klavier für seine Kinder anschaffen“, sagt er. Ein deutsches Klavier kostet ab 13.000 Euro, ein Flügel aus heimischer Produktion ab 45.000 Euro. Günstigere, aber qualitativ oft schlechtere Instrumente aus Asien gibt es bereits ab 4000 Euro.

Für viele ist da ein betagtes Klavier eine Alternative. Die deutschen Klavierbauer restaurieren Instrumente aus dem eigenen Haus. Doch das ist ebenfalls nicht ganz billig – und lohnt sich manchmal auch gar nicht mehr.

Herbert Vogel, Klavierbauer aus München, sagt, Klaviere aus dem 19. Jahrhundert seien zu 90 Prozent nicht mehr seriös zu renovieren. „Die Substanz ist oft so schlecht, dass eine Restaurierung kaum sinnvoll ist“, erklärt er. „Wenn es doch gemacht wird, kostet das meistens über 6000 Euro – nach oben offen.“

Bei Klavieren, die in der Zeit zwischen 1900 und 1950 gebaut wurden, seien etwa 30 Prozent noch gut renovierbar. Die Kosten hierfür bewegten sich in der Regel zwischen 3000 und 15.000 Euro. Dennoch bleibe es „eine reine Liebhabersache“, so der Experte. Erstaunlich sei, wie viel „Schrottinstrumente“ täglich im Internet angeboten und leider auch gekauft würden, sagt er.

Aktuellere Modelle ab Baujahr 1980 bis etwa 2005 könnten durch eine Teilüberholung für Kosten zwischen 1500 und 2500 Euro wieder für Generationen bespielbar werden – sofern keine größeren Teile ersetzt werden müssten. „Doch auch bei Instrumenten dieser Kategorie gibt es Ausnahmen“, warnt Vogel. Er empfiehlt in jedem Fall, bei einem Privatkauf einen Klavierbauer mitzunehmen, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden.

Stephan Maaß ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Unter anderem berichtet er über Verbraucherthemen, Immobilien, Finanzen und Versicherungen.