Kaum ein Experte hat Wirtschaft und Politik der Bundesrepublik so hautnah begleitet und geprägt, wie er: Unternehmensberater Roland Berger (87), der einst den Touristik-Riesen TUI erfand. Gerade hat er seine Lebenserinnerungen vorgelegt („Roland Berger. Der Consultant“, Siedler-Verlag) – und macht sich nun erstmals dramatische Sorgen um den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland.
Für BILD hat Roland Berger aufgeschrieben, was die nächste Bundesregierung anpacken muss, damit Wohlstand und Sicherheit in Deutschland gesichert bleiben:
„Egal unter welchem Kanzler und in welcher Koalition: Wir brauchen eine Fakten-orientierte Energiepolitik, eine massive Investition in unsere Sicherheit, eine Erneuerung der Infrastruktur und einen dramatischen Abbau von Bürokratie sowie niedrigere Steuern und Abgaben für alle, die durch ihre Arbeit wesentlich zur Wertschöpfung in unserem Lande beitragen.
Die Führungspositionen müssen in der Politik und den Ministerien mit ordentlichen, objektiv arbeitenden, unideologischen Fachleuten besetzt werden. Ein Abenteuer wie unter Robert Habeck, der im Wirtschaftsministerium 120 Grüne platziert und Volkswirte verdrängt hat, können wir uns nicht noch einmal leisten.
Drei Grundentscheidungen müssen getroffen werden:
1. Wirtschaftspolitische Wende!
Entscheidend für unser Land und die Wirtschaft wird sein, dass die Politik neue Prioritäten setzt: Wir müssen zurück zur sozialen Marktwirtschaft, weg von dieser staatlichen Planwirtschaft, die der Forschung und den Unternehmen und Verbrauchern z.B. Technologien und deren Umsetzungsfristen vorschreiben will. Das behindert unsere Wirtschaft, das bremst Forschung und Entwicklung und entmündigt die Bürger.
2. Investitionen in unsere Sicherheit
Wir leben in einer extrem gefährlichen Situation: Unsere Sicherheit und die europäische Friedensordnung werden aktiv angegriffen. Daher muss eine neue Regierung ihrer Verantwortung für den Schutz der Bürger gerecht werden und Hunderte Milliarden Euro aufbringen, um die Bundeswehr wieder verteidigungsfähig zu machen. Zusätzlich muss die Ukraine massiv unterstützt werden, um den Appetit Putins auf weitere Eroberungen in Europa in die Schranken zu weisen. Aus dem Satz von Olaf Scholz, dass Russland nicht gewinnen dürfe, muss ein klares Bekenntnis dazu werden, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen muss.
3. Öffentliche Verwaltung schrumpfen
Diese Regierung hat wie davor auch nichts dafür getan, die Produktivität in der öffentlichen Verwaltung zu verbessern. Sie hat es versäumt Aufgaben der Verwaltung und Bürokraten zu hinterfragen. Sie hat auch nichts Wesentliches für die Digitalisierung der Verwaltung auf den Weg gebracht. Dies ist aber dringend geboten, um die öffentlichen Ausgaben in den Griff zu bekommen und Verteilungsspielräume für Investitionen etwa in die Bahn, die E-Auto-Infrastruktur, Energiepolitik und vor allem aber für Bildung, Forschung und Entwicklung zu schaffen.
Wir sind zurückgefallen
Wir sind in vielen Bereichen einfach schlecht und Schlusslicht geworden. Beim Wirtschaftswachstum liegen wir hinten, bei der Produktivität kommen wir nicht mehr vorwärts und trotz eines Arbeitskräftemangels leisten wir uns die geringste Arbeitszeit im OSZE-Vergleich. Dass deutsche Großunternehmen Zehntausende Arbeitskräfte entlassene müssen, liegt nicht nur an der Konjunktur. Es liegt im Wesentlichen daran, dass unsere Kernindustrie, also Auto und Chemie, zu alt ist. Diese Unternehmen müssen sich restrukturieren und neu aufstellen. Wir müssen wieder so innovativ werden, dass wir mit den US-Technologien und dem modernen China in Konkurrenz treten können.“