6 neue Verbindungen für Deutschland – Was hinter Easyjets kleiner Kehrtwende steckt

Easyjet war eine der ersten Airlines, die ihre Kapazitäten an deutschen Flughäfen im großen Stil zusammengestrichen hatte. Erst vor zwei Wochen kündigte die Billigairline noch an, wegen der hohen Standortkosten in Deutschland nicht mehr wachsen zu wollen. An diesem Mittwoch melden die Briten nun einen kleinen Exit vom Exit. Im kommenden Sommer nehmen sie ein halbes Dutzend zusätzlicher Flugverbindungen von deutschen Flughäfen ins Programm – alle nach Italien.

Konkret geht es um Flugrouten, welche ab März die zuletzt von Kapazitätsstreichungen besonders gebeutelten Flughäfen in Hamburg und Düsseldorf sowie Frankfurt und München mit Mailand und Rom verbinden werden. Die sechs neuen Direktverbindungen bringen 500.000 zusätzliche Sitzplätze. Die eingesetzten Flugzeuge werden allerdings nicht in Deutschland, sondern an den Flughäfen Mailand-Linate und Rom Fiumicino stationiert, wo Easyjet bislang nicht vertreten war.

Mit der Italien-Offensive treten die Briten vor allem in Konkurrenz zur Lufthansa-Gruppe, für die Italien der wichtigste europäische Auslandsmarkt ist. Der zusätzliche Wettbewerb ist das gewollte Ergebnis von Auflagen der Europäischen Union.

Sie hatte die derzeit laufende Übernahme der ehemaligen italienischen Staatsairline Ita durch die Lufthansa nur unter der Auflage genehmigt, dass diese bisherige Start- und Landerechte von Ita – sogenannte Slots – an italienischen Flughäfen abgibt. Für den Kurz- und Mittelstreckenverkehr hatte die EU-Wettbewerbsbehörde vor ein paar Tagen Easyjet als Ausweichairline genehmigt. Auf der Langstrecke muss die Lufthansa Ita-Slots an Air France und British Airways abgeben.

Easyjet darf nun insgesamt 27 innereuropäische Strecken von italienischen Flughäfen übernehmen. Neben den Zielen in Deutschland kommen auch zusätzliche Verbindungen mit Wien und Zürich ins Programm. Dem Luftfahrtkonzern bringt das zusätzlichen Aufwind nach einer zuletzt ohnehin erfolgreichen Geschäftsentwicklung.

Erst im November hatte der Konzern einen Gewinnsprung von 25 Prozent auf 740 Millionen Euro gemeldet, die Buchungszahl war im Vorjahresvergleich um 24 Prozent angestiegen. Für das kommende Jahr stellte Easyjet ein weiteres Kapazitätswachstum um drei Prozent in Aussicht – mit Ausnahme von Deutschland, wo zu hohe Steuern und Gebühren dem im Wege stünden.

„Wir sehen eine Nachfrage nach mehr Flugkapazität“

An dieser Einschätzung scheint sich bei Easyjet nichts geändert zu haben. „Wir zeigen in Italien, dass wir zu Wachstum bereit sind. Wir würden gerne auch in Deutschland wachsen, aber die Kostensituation verhindert das“, erklärte am Mittwoch Stephan Erler, Country Manager Deutschland und Schweiz bei Easyjet, im Gespräch mit WELT.

„Wir sehen an allen größeren deutschen Flughäfen eine Nachfrage nach mehr Flugkapazität“, sagt er. „Aber wir beobachten, dass wegen der drastisch gestiegenen Steuern und Gebühren ein zunehmender Anteil von Kunden Flugreisen aufschiebt oder mit dem Auto verreist.“

Vor der Corona-Pandemie beförderte Easyjet in der Spitze mehr als 13 Millionen Fluggäste in Deutschland. Im kommenden Jahr werden es noch etwa 5,5 Millionen sein, wobei die halbe Million von den neuen italienischen Flughäfen da bereits eingerechnet sind. Erst im vergangenen Jahr eröffnete die Airline am Hauptstadtflughafen BER einen Wartungshangar, in dem 100 Mitarbeiter an bis zu vier Airbus-Jets gleichzeitig arbeiten können.

Doch anstelle von einstmals 34 Flugzeugen sind in Berlin heute nur noch elf stationiert. Und es gibt laut Erler aktuell keine Pläne, die Präsenz wieder zu erhöhen. Keine Hoffnung sieht Erler für ein Comeback früherer Zeiten, als man mit Easyjet noch von Berlin nach München, Düsseldorf, Frankfurt, Köln und Stuttgart fliegen konnte. Der Wegfall dieser Verbindungen wird auch von vielen Bundestagsabgeordneten beklagt und das quer durch alle Parteien.

Obwohl sich Easyjet als Berliner Heim-Airline versteht, werde sich daran nichts ändern, sagt Erler. „Es gibt keine Überlegungen, wieder innerdeutsch zu fliegen.“ Auf europäischen Verbindungen werde Wachstum hingegen wieder möglich sein, aber erst, wenn die Bundesregierung mit der Branche in einen Dialog trete und die Kosten senke.

Steffen Fründt ist Wirtschaftskorrespondent der WELT und berichtet über Themen aus Luftfahrt, Sportbranche und anderen Industrien.