Eigentlich, darauf bestand der damalige Commerzbank-Chef Martin Blessing im November 2008, könne die Bank die Folgen der Finanzkrise auch aus eigener Kraft bewältigen. Nur weil die Ratingagenturen, die Finanzaufsicht und auch Geschäftspartner mehr Stabilität, sprich Eigenkapital, in diesen damals turbulenten Zeiten verlangten, nutze die Commerzbank Milliarden aus dem staatlichen Rettungsfonds.
Für die Steuerzahler begann damit das Commerzbank-Abenteuer, das nun nach 16 Jahren endlich dem Ende zugeht. Der Staat will sich von seiner Beteiligung an der Commerzbank trennen. Es sei geboten, dass sich der Bund von den „Anteilen des erfolgreich stabilisierten Instituts sukzessive wieder trennt“, teilte Finanzstaatssekretär Florian Toncar mit. Er ist gleichzeitig Vorsitzender des zuständigen Lenkungsausschusses der Ministerien.
Der Bund werde seinen Anteil an der Commerzbank in Höhe von 16,49 Prozent schrittweise reduzieren. Bei dem angekündigten Aktienverkauf geht es für den Staat längst nicht mehr darum, noch mit einem Gewinn aus der damaligen Rettungsaktion herauszukommen. Es geht einzig darum, den Verlust zu minimieren. Am Ende wird das Commerzbank-Abenteuer den Steuerzahler rund 2,5 Milliarden Euro kosten.
Es waren verrückte Zeiten damals im Herbst 2008. Die Lage hatte sich nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September dramatisch zugespitzt. Die Akteure an den Finanzmärkten fürchteten hinter jeder glitzernden Bankfassade die nächste Pleite. Überall lauerten unkalkulierbare Risiken. Niemand vertraute mehr irgendwem.
Bei der Commerzbank kam hinzu, dass Blessing erst Ende August die Milliardenübernahme der angeschlagenen Dresdner Bank vom Versicherungsriesen Allianz verkündet hatte – inklusive eines überdimensionierten und auf dem Höhepunkt der Finanzkrise als umso riskanter angesehenen Kapitalmarktgeschäfts des Konkurrenten.
Zur Vermeidung einer finanziellen Schieflage der Commerzbank sprang der Bund mit Kapitalhilfen in Höhe von insgesamt 18,2 Milliarden Euro ein. Sie bestanden zum einen aus stillen Einlagen. In den Jahren 2008 und 2009 wurden zwei Tranchen in Höhe von jeweils 8,2 Milliarden Euro bewilligt. Der Zinssatz lag bei neun Prozent. Zum anderen beteiligte sich der Rettungsfonds 2009 an einer Kapitalerhöhung der Bank. Für 1,772 Milliarden Euro wurde der Bund zum größten Einzelaktionär.
Die stille Einlage wurde bis 2013 vollständig zurückgezahlt – beziehungsweise in weitere Aktien umgewandelt. Hinzu kamen Zinsen und Dividenden. Insgesamt flossen bislang 13,15 Milliarden Euro zurück, teilte die für die Beteiligung zuständige Finanzagentur des Bundes mit. Die bestehende Lücke von gut fünf Milliarden Euro könnte durch den erstmaligen Verkauf von Commerzbank-Aktien nun immerhin noch halbiert werden. Aktuell ist das Aktienpaket 2,55 Milliarden Euro wert.
Klar ist schon jetzt: Die Commerzbank-Hilfe wird zu den teuersten Staatshilfen gehören. Ganz anders als die Hilfe der Lufthansa während der Corona-Pandemie. Hier erzielte der Bund kein Minus, sondern ein sattes Plus in Höhe von 760 Millionen Euro. Offenbar wurde dort in der Krise besser verhandelt.
Immerhin lässt sich der Zeitpunkt des angekündigten Ausstiegs rechtfertigen. Die Commerzbank gehörte zuletzt zu den großen Profiteuren der Zinswende. Im Vorjahr steigerte die Bank den Konzerngewinn um mehr als 50 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Für die vergangenen drei Jahre steht ein Kursplus von 135 Prozent zu Buche.
Jetzt trauen Analysten der Aktie keine großen Kurssprünge mehr zu. Die Zinsen sinken bereits wieder, die weiterhin schwachen Konjunkturaussichten erfordern höhere Rückstellungen für Kredite.
Nachvollziehbar ist der Schritt des Bundes. Wobei er den idealen Ausstiegszeitpunkt offenbar verpasst hat. Etwas früher wäre noch besser gewesen. Ende Mai notierte die Aktie bei 15,82 Euro und damit knapp 20 Prozent über dem aktuellen Kurs.
Wie schnell der Verkauf der verbliebenen Commerzbank-Aktien erfolgt, ist offen. Wie bei Verkäufen von Post- und Telekom-Aktien hat der Bund zwei Möglichkeiten: Er kann ganze Aktienblöcke über Nacht an Investoren verkaufen oder Papiere in kleinen Dosen an den Markt geben.
Die interessante Frage ist, ob sich neue Ankerinvestoren finden. Aktuell gibt es neben dem Bund nur den US-Investor Blackrock mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent und den Norwegischen Staatsfonds mit mehr als drei Prozent. Dass ein strategischer Investor, also eine andere Bank, den Ausstieg des Bundes nutzt, um sich mit einem Schlag ein größeres Paket zu sichern, gilt derzeit als unwahrscheinlich. Für die Steuerzahler wäre dies gut, winkt Verkäufern in solchen Fällen doch in der Regel ein Paketaufschlag.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.