Der Sturz des Massenmörders Baschar al-Assad (59) ist ein historisches Ereignis, das Syrer weltweit feiern. Doch wie wird es in Syrien weitergehen?

In der Nacht auf Sonntag floh Diktator Assad aus der Hauptstadt Damaskus. Damit endet die syrische Revolution (begann 2011), die in den blutigen Bürgerkrieg mündete, den Assad mit russischer und iranischer Unterstützung gegen sein Volk führte.

▶︎ Während Gefangene aus Assads Folter-Knästen befreit werden und vertriebene Syrer in ihre Heimatorte zurückkehren, stellt sich auch die Frage: Was kommt als Nächstes?

Viele Kräfte mischen jetzt mit: Den entscheidenden Schlag gegen das Regime versetzte die islamistische Gruppe „Hayat Tahrir al-Sham“. Auch Türkei-Herrscher Recep Tayyip Erdogan (70) unterstützt die Aufständischen und will seinen Einfluss ausbauen. Er war aber nicht nur mit Assad verfeindet, sondern auch mit kurdischen Rebellen, die gegen das Regime kämpften.

Experte: „Es wird nicht schlimmer sein als unter Assad“

Kann aus der Diktatur des Assad-Clans (herrschte mehr als 50 Jahre) ein freies Land werden?

„Syrien wird nun in eine Übergangsphase eintreten“, sagt Seth Frantzman zu BILD, Nahost-Experte bei der US-Denkfabrik „Foundation for Defense of Democracies“ (FDD). Die erste „große Hürde“ darin, sich auf „auf einen gemeinsamen Weg nach vorn zu einigen“.

Im besten Fall würde sich Syrien „zu einer Art Föderalismus oder einer Autonomie für Regionen und Minderheitengruppen wie die Drusen, Kurden und Alawiten“ entwickeln und zu einem „funktionierenden und friedlichen Staat werden“.

Frantzman warnt, dass z.B. die Türkei versuchen könnte, eine Einigung der Gruppen zu untergraben, um gegen die Kurden vorzugehen. Dennoch ist der Experte vorsichtig optimistisch: „Es ist möglich, dass neue Konflikte entstehen, aber es wird wahrscheinlich nicht schlimmer sein als unter Assad.“

Ziemiak: „Was in Syrien passiert, betrifft uns“

CDU-Außenexperte Paul Ziemiak (39) warnt in BILD, dass das Land zerfallen oder in den Krieg abrutschen könnte, falls keine Einheitsregierung gelinge. Deshalb brauche es „Vermittlung von außen“.

▶︎ Auch Berlin und Brüssel dürften nicht wegschauen, fordert Ziemiak: „Was jetzt in Syrien passieren wird, betrifft uns zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage direkt. Die EU kann und muss hier daher Motor einer Initiative sein. Als Deutschland und EU haben wir größtes Interesse an einer Stabilität in Syrien.“

Sorge vor Islamisten-Anführer

Mit Sorge wird auch die islamistische Gruppierung beobachtet, die Assad den Todesstoß verpasste. Anführer Abu Mohammed al-Dschaulani war früher ein Verbündeter von Al-Qaida, gibt sich jetzt geläutert.

Terrorismus-Experte Peter Neumann (King’s College London) warnt auf X/Twitter, dass der Rebellen-Boss noch immer einen „islamistischen Staat“ anstrebe. „Vielleicht nicht ganz so brutal wie beim IS, aber Frauen und Minderheiten hätten dort wenig zu sagen.“

Bislang gibt es jedoch keine Berichte über Verbrechen gegen Minderheiten. „Sie belästigen niemanden, sie helfen den Menschen“, zitiert die US-Zeitung Washington Post einen syrischen Christen. Islamistische Kämpfer hätten christlichen Bewohnern Aleppos sogar gesagt, sie dürften Weihnachten feiern.