Strategie-Wechsel bei Olaf Scholz – der Bundeskanzler hat bei seiner dritten Zeugenvernehmung im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft sein Vorgehen angepasst.
Statt wie zuvor häufig auf „Erinnerungslücken“ zu verweisen, erklärte er am Freitag: „Mehr kann ich zur Aufklärung nicht beitragen“ oder „Das kann ich nachträglich nicht rekonstruieren.“ Erst nach 30 Minuten fiel erstmals der Satz: „Ich habe daran keine Erinnerung.“ Insgesamt dauerte seine Befragung diesmal 90 Minuten.
Gut gelaunt, aber unter Druck
Scholz betrat drei Minuten vor Beginn den Raum, wirkte entspannt, schüttelte Hände. Doch der Termin – bereits sein dritter Auftritt vor dem Ausschuss – bleibt politisch brisant. Der SPD-Politiker bestritt erneut jegliche politische Einflussnahme im Cum-Ex-Skandal während seiner Zeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt. Dies betreffe sowohl die private Warburg-Bank als auch die HSH-Nordbank, die am Freitag im Fokus des Ausschusses stand.
Klare Worte gegen Steuerbetrug
„Steuerhinterziehung und -betrug sind keine Bagatelldelikte, sondern schwere Straftaten“, belehrte Scholz die Ausschuss-Mitglieder. Er verwies darauf, sich stets für ein gerechtes Steuersystem eingesetzt zu haben. Cum-Ex-Modelle müssten konsequent aufgeklärt und verfolgt werden.
HSH Nordbank: 126 Millionen Euro Schaden
Neben den Vorgängen rund um die Warburg-Bank untersucht der Ausschuss jetzt auch Cum-Ex-Vorfälle der HSH-Nordbank. Zwischen 2008 und 2011 ließ die sich in 29 Fällen Steuern erstatten, die nie gezahlt wurden – ein Schaden von rund 126 Millionen Euro, die 2014 zurückgezahlt wurden.
Strafrechtliche Konsequenzen für die Bank gab es jedoch nicht. Scholz erklärte, sein Fokus habe seinerzeit auf der Rettung der Bank und dem Schutz der Steuerzahler gelegen.
Politisch heikles Thema
Der Ausschuss bleibt für Scholz ein sensibles Thema, vor allem mit Blick auf den Bundestagswahlkampf. Bisher gibt es aber keine Beweise für eine Verwicklung des Kanzlers. Auch bei der HSH-Nordbank liegen lediglich Indizien vor. Der Strafprozess gegen Warburg-Banker Christian Olearius (81) wurde eingestellt – ein Vorteil für Scholz. Von dieser Seite drohen nun keine unangenehmen Enthüllungen mehr.
Mathias Middelberg (59), Vize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bezichtigt den Kanzler der Lüge. „Die erneute Befragung von Olaf Scholz belegt leider wieder, dass der heutige Bundeskanzler uns alle schlicht belügt“, sagte der Finanzexperte der Unions-Fraktion. Scholz habe damals viele Gespräche mit Vertretern betroffener Banken geführt, an die er sich „heute ganz bewusst“ nicht mehr erinnern wolle. „Dass er sich heute nicht einmal an einzelne Aspekte dieser Unterredungen erinnern will, ist schlicht unglaubwürdig. Seine Einlassung, er habe den Bankern nur erklären wollen, dass er sich in der Sache nicht einmischen dürfe, ist eine üble Notlüge.“