Intel-Chef wirft mitten in der Krise hin

Intel-CEO Pat Gelsinger geht überraschend mit 63 in Rente – und dankt dem Herrn mit Psalm 9.1: „Ich will dir von ganzem Herzen danken und alle deine Wunder verkünden“, kommentierte er seinen Rücktritt zum 1. Dezember auf X. Stoßgebete des Dankes dürften auch die Aktionäre auf den Lippen haben, denn in den drei Jahren unter Gelsinger verlor Intel über 60 Prozent seines Börsenwertes. In der Hoffnung auf frischen Wind stiegen am Montag zahlreiche Anleger bei dem Unternehmen ein. Die Aktien zogen im vorbörslichen Geschäft der Wall Street um sechs Prozent an.

Gelsinger geht mitten in einer der größten Krisen der Firmengeschichte. Seine Aufgaben übernähmen übergangsweise der Finanzchef David Zinsner und die Managerin Michelle Johnston Holthaus, bis die Nachfolge dauerhaft geregelt sei, hieß es. Hierzu hat der Verwaltungsrat eine Findungskommission ins Leben gerufen – die dürfte keinen einfachen Job haben, schon Gelsingers Berufung vor drei Jahren galt als Krisenmaßnahme, um den schlingernden Chip-Giganten wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Intel dominierte einst den Halbleiter-Markt, hat aber seit Längerem Probleme. Grund ist eine Serie von Fehlentscheidungen, die teils noch aus Gelsingers Ägide als Chief Technology Officer bei Intel in den Jahren vor 2009 datieren. In zwei wichtigen Bereichen hat Intel den Anschluss verloren: Konkurrent Nvidia, einst ein Zwerg gegen den Giganten Intel, entdeckte um 2008 herum, wie sich die GPU-Chip-Technologie für das Training von künstlicher Intelligenz verwenden lässt. Intel hatte nie groß in die GPU-Technik investiert, da sie als Spielerei, als Domäne der Gaming-Branche galt. Das rächte sich zehn Jahre später, inzwischen ist Nvidia in anderen Sphären, Intel dagegen hat bislang keine nennenswerten Marktanteile im boomenden KI-Markt ergattern können.

Gleichzeitig produziert das von Gelsinger als zukunftsträchtig betrachtete Geschäft mit der Halbleiter-Auftragsfertigung trotz milliardenschwerer Investitionen bislang nur Verluste. Hier hinkt Intel der Konkurrenz aus Taiwan, namentlich TSMC, ebenfalls hinterher.

Dies brockte Intel zuletzt den größten Quartalsverlust der Firmengeschichte ein. Ein von Gelsinger angestoßenes milliardenschweres Sparprogramm, dem unter anderem der geplante Bau einer Chipfabrik in Magdeburg zum Opfer fiel (er soll zunächst um zwei Jahre verschoben werden), trägt bislang keine Früchte.

Der Manager kam 2021 als Sanierer zu Intel zurück und hatte seither versucht, den Konzern mit neuen Technologien und Werken bei zeitgleichem Sparkurs auf Vordermann zu bringen. So sollen früheren Angaben zufolge rund 15.000 Arbeitsplätze oder etwa 15 Prozent der Belegschaft wegfallen.

Vor etwa einem Monat musste Intel zudem nach 25 Jahren seinen Platz im US-Standardwerteindex Dow Jones an Nvidia abgeben, den Weltmarktführer bei KI-Spezialprozessoren. Im Herbst drohte zudem eine unfreundliche Übernahme durch den Konkurrenten Qualcomm. Nicht zuletzt stand Gelsinger unter Druck diverser Investoren, die laut über einen Verkauf oder einen Börsengang der teuren Chip-Fertigung nachdenken. Damit aber wäre seine Strategie, mit der er vor drei Jahren angetreten war, gescheitert. Auch deswegen nimmt Gelsinger nun seinen Hut – und dankt dem Herrn.