Es ist noch keine zehn Monate her, dass die Deutsche Bahn die letzte Tarifeinigung verkünden konnte. Nach monatelangen Auseinandersetzungen und Streiks gab es im März 2024 endlich eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Doch bei der Bahn gilt seit vielen Jahren: Nach dem Tarifkonflikt ist vor dem Tarifkonflikt. Und so stellte an diesem Donnerstag die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bereits ihre neue Forderung auf.
7,6 Prozent mehr Gehalt sollen die Eisenbahner bekommen, wer im Schichtdienst arbeitet sogar noch einmal 2,6 Prozent mehr. Außerdem schwebt den Gewerkschaftern noch ein einmaliger Bonus von 500 Euro netto für alle EVG-Mitglieder vor. Und natürlich eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2027.
Aufgestellt werden diese Forderungen in Zeiten, die insbesondere für die Deutsche Bahn besonders schwierig sind. Denn längst kämpft der Staatskonzern nicht nur mit seiner völlig maroden Infrastruktur, in die man mehr als 40 Milliarden Euro investieren müsste, um die endlosen Verspätungen und Zugausfälle wenigstens einigermaßen wieder in den Griff zu bekommen.
Hinzu kommt auch noch ein gewaltiges Defizit. Das soll eigentlich mit einem Sparprogramm reduziert werden, das intern „S3“ genannt wird. Bis zu 30.000 Stellen sollen wegfallen. Das passt eigentlich nicht zu einer Beschäftigungsgarantie und hohen Lohnforderungen.
Bei der Gewerkschaft setzt man daher darauf, dass schon bald Schluss sein soll mit dem Sparprogramm S3. Er sei der Überzeugung, dass die nächste Bundesregierung das Programm beenden werde, sagt EVG-Vize-Chef Kristian Loroch.
Gewerkschaft will Einigung mit Bahn vor Bundestagswahl
Es handle sich bei den Sparbemühungen lediglich um eine „völlige Blendgranate“. „Das sind gute PR-Gags, nicht mehr und nicht weniger“, sagte Loroch. „Dass die Bahn wieder aufs richtige Gleis kommt durch S3, glaubt bei den Beschäftigten keiner.“ Er glaube, dass es nach der Wahl zu einem Managementwechsel kommen wird.
Die Gewerkschaft will deshalb möglichst noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar eine Tarifeinigung mit der Bahn erzielen. Die Verhandlungen wurden dafür extra um einige Wochen nach vorn gezogen. Eigentlich läuft der bisherige Tarifvertrag noch bis Ende März, so lange gilt auch die Friedenspflicht. Zumindest in den nächsten Wochen wird es daher keine Warnstreiks zur Untermauerung der Forderungen geben können.
„Ob es funktioniert, bis zur Bundestagswahl durchzukommen, hängt vom Arbeitgeber ab“, sagte die stellvertretende EVG-Chefin Cosima Ingenschay. „Sollte das nicht der Fall sein, sind wir natürlich auf alle anderen Szenarien vorbereitet.“ Ganz ausschließen will die EVG einen Arbeitskampf also nicht. Sollte es nicht gelingen, bis zum 31. März eine Einigung zu erzielen, sei ab dem 1. April „alles möglich“, sagte Ingenschay.
Offenbar schätzt die EVG die Chancen, sich vor der Wahl mit dem Management auf deutliche Gehaltssteigerungen einigen zu können, als höher ein. „Die Rufe nach Zerschlagung der Bahn und weniger Geld für die Bahn werden immer lauter werden“, sagte Ingenschay. Tatsächlich gibt es in einigen Parteien die Bestrebungen, den Zugbetrieb vom Schienennetz zu trennen und in zwei Unternehmen fortzuführen. Das hat bislang vor allem die SPD verhindert.
Die Forderungen der EVG sollen für alle Bahn-Beschäftigten gleichermaßen gelten. Auch in der Verwaltung und bei der Güterverkehrstochter DB Cargo müssten Job-Garantien gelten. Hier plant das Management bislang die deutlichsten Einschnitte. Dank des demografischen Wandels sei es möglich, jedem Beschäftigten seinen Arbeitsplatz zu garantieren und dennoch Stellen abzubauen, hieß es.
Die Deutsche Bahn kommentierte die Forderungen zunächst nicht. „Wir haben die Forderungen der EVG erhalten und werden diese jetzt genau prüfen und bewerten“, teilte ein Sprecher mit. Am 28. Januar wird die erste Verhandlungsrunde stattfinden.
Philipp Vetter ist Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Philipp Vetter schreibt über das Bundeswirtschaftsministerium, Wirtschafts-, Energie- und Verkehrspolitik.