50 Prozent Wachstum bis 2030 – Der große Plan der Post

Manchmal ist von „schlafenden Riesen“ die Rede, wenn Konzerne zwar leidlich erfolgreich arbeiten, aber wenig spektakuläre Ideen versprühen. DHL ist ein solcher Fall: Mit seinen 600.000 Beschäftigten und einem Umsatz von zuletzt 82 Milliarden Euro ist der Konzern rund um den Globus im Expressversand und Logistikgeschäft ein Schwergewicht.

In Deutschland dominiert die Tochter Deutsche Post die Paketzustellung und hat sich im Briefversand gewissermaßen ein Monopol gesichert. Doch faustdicke Überraschungen wie eine große Übernahme, der Aufbau neuer Geschäftsfelder oder auch der Verkauf von Aktivitäten sind aus der Bonner Konzernzentrale vom aktuellen Konzernchef Tobias Meyer zuletzt nicht gekommen.

Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Denn der DHL-Konzern verpasst sich einmal mehr einen neuen Strategieplan. Das wichtigste Ziel darin: Bis zum Jahr 2030 will DHL den Umsatz um 50 Prozent erhöhen. Basis ist der Wert aus 2023, mithin sollen 2030 gut 120 Milliarden Euro erreicht werden.

Gelingt dies, wäre es ein jährliches Wachstum um sechs Prozent und würde über dem erwarteten globalen Wirtschaftswachstum liegen. Zum Vergleich: Konkurrent United Parcel Service (UPS) aus den USA strebt für die Jahre 2023 bis 2026 ein Umsatzplus von jährlich rund sieben Prozent an.

„Wir wollen unser Wachstum beschleunigen und deutlich oberhalb des globalen Bruttosozialprodukts liegen“, sagte Konzernchef Meyer bei der Vorstellung der Pläne. Ziel sei es, Marktanteile in der Logistikbranche hinzugewinnen. Gelingen soll dies mit dem Ausbau des Geschäftes im Pharma- und Gesundheitsbereich sowie im Energiesektor.

Die Versorgung mit Temperatur gesteuerter Lagerung von Medikamenten nannte der Manager ebenso als Beispiel wie die Logistik für Batterien in E-Autos. Zweistellige Wachstumsraten werden hierfür angekündigt. Unter der neuen Marke DHL Health Logistics soll der Umsatz mit diesen Kunden bis zum Jahr 2030 auf zehn Milliarden Euro verdoppelt werden. Auch Zukäufe von spezialisierten Firmen schloss Manager Meyer nicht aus.

Paketversand soll schrumpfende Briefzustellung ausgleichen

Im E-Commerce, vornehmlich in der Paketzustellung für den Onlinehandel in Europa, verspricht sich der DHL-Konzern im grenzüberschreitenden Versand jährlich zwischen zehn und 15 Prozent Wachstum. Im Gesamtkonzern hat der E-Commerce einen Umsatzanteil von 28 Prozent. Geografisch setzt DHL im Logistikgeschäft auf zweistellige Umsatzzuwächse etwa in Indien, Südostasien, Mexiko oder dem Nahen Osten.

In Deutschland wiederum soll der steigende Paketversand die schrumpfende Briefzustellung ausgleichen. Weil der Brief durch die E-Mail ersetzt wird und Unternehmen wie auch Behörden zunehmend digital mit Kunden kommunizieren, ist die Briefmenge zum Beispiel im vergangenen Jahr um sechs Prozent gesunken.

Die Menge dahinter ist immer noch gewaltig: 2023 haben die Postboten 12,6 Milliarden Briefe ausgetragen. Der rückläufige Trend wird sich fortsetzen. „Die Briefmenge schrumpft, aber der Brief stirbt nicht“, sagte Meyer. Das durch den Onlinehandel wachsende und profitable Paketgeschäft gleiche den Rückgang im Briefversand jedoch aus. Rund 1,7 Milliarden Pakete haben die Zusteller von DHL im vergangenen Jahr ausgefahren.

Gleichzeitig will der Konzern die Arbeit einfacher gestalten. So soll die Struktur der rund 870 Gesellschaften, die zur Deutschen Post gehören, vereinfacht und der Organisation im Management angepasst werden. Konzernchef Meyer betonte in dem Zusammenhang, dass es keinen Personalabbau oder Veränderungen an Tarifverträgen und Schutzvereinbarungen zu den Arbeitsplätzen geben werde.

Auch die Abspaltung des Brief- und Paketgeschäfts in Deutschland soll es nicht geben. „Der Bereich Post und Paket passt ausgezeichnet in unser Gesamtportfolio“, sagte Manager Meyer.

Mehr Geschäft um jeden Preis strebt der DHL-Konzern nach eigenen Angaben jedoch nicht an. „Umsatzwachstum ist nur bedingt hilfreich. Wir wollen ein profitables Wachstum erreichen, das sich in den Ergebniszahlen niederschlägt“, sagte Melanie Kreis, die im DHL-Vorstand die Finanzen verantwortet.

Zugleich kündigte die Finanzchefin an, die Ausschüttungsquote von 40 Prozent bis 60 Prozent des bereinigten Nettogewinns beizubehalten. Die DHL-Aktie hat seit Jahresanfang um etwa 14 Prozent an Wert eingebüßt. Nach Bekanntgabe des neuen Strategieplans ist der Aktienkurs leicht gestiegen.

Investieren will der DHL-Konzern vor allem in die Verringerung der Emissionen von Kohlendioxid. Bis zum Jahr 2030 will sich das Unternehmen einen Anteil von 30 Prozent an nachhaltigem Flugtreibstoff sichern. Nach DHL-Angaben ist die eigene Flugzeugflotte für die Luftfracht bereits heute der größte Nutzer dieses Treibstoffs.

Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet über Schifffahrt, Logistik, den Tankstellen- und Kaffeemarkt sowie Mittelstandsunternehmen.